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Fakten zur Aufführung 

DIE TOTE STADT
(Erich Wolfgang Korngold)
14. April 2007 (Premiere)

Theater Hagen

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Phantasien des Wahnsinns

Es ergeben sich zwei Lesarten des beklemmenden Theaterabends : Paul ist wie ein Anthony Perkins in Hitchcocks Psycho, der seine mumifizierte Geliebte zur Ikone erhebt und seine eigenen Sexual- und Umweltbeziehungen nur im pathologischen Zusammenhang mit diesem unbegriffen-bestimmenden Fetisch wahrnehmen kann. Oder: Paul ist ein wahnsinniger Autist, der nie verheiratet war, Kim Nowak als sexuelle Fantasie erlebt, und seine pathologische Hermetik nur in erlebten klerikalen Konkretionen spiegeln kann.

Wie dem auch – beklemmenderweise – sei: Paul Esterhazy inszeniert in Hagen ein Pandämonium zerstörter menschlicher Existenz von nachhaltiger Betroffenheit.

Pia Janssens Bühne insinuiert mit ihrer wüsten Ansammlung wild zusammengetragener Memorabilien die zerklüftete Seelenlandschaft eines psychischen Wracks. In der vorgegebenen Einheit des Handlungsortes – Pauls Wohnfeld – ergibt sich die ambivalent-quälende Einheit des (pseudo)realen Erlebens, der träumend-bedrängenden Phantasien und der rudimentären konkreten Wahrnehmungen.

Dagmar Hesse ist eine Kim Nowak-Kopie aus Hitchcocks Vertigo – oder auch Tippy Hedren in Marnie -, vermittelt die Traum-Existenz von Erotik und unerfüllter Begierde, bleibt dabei aber vor allem eine Sängerin höchster Expressivität. Ihr gelingen sowohl die provokativen Höhen als auch die balladesken Kantilenen in beglückender Vollkommenheit. Dario Walendowski ist der psychopathische Paul, nicht nur der ewig eine Tote Liebende, und gibt der perspektivlosen Figur auch stimmlich gebrochenen Charakter. Die couragiert-hoffnungslose Brigitta, der lebenslustige Frank und der nostalgische Fritz finden in Liane Keegan, Frank Dolphin Wong und Peter Schöne kompetent-einfühlsamen Ausdruck. In den weiteren Rollen beweist das Hagener Ensemble seine außergewöhnliche Qualität, die sich während der Intendanz Rainer Friedemanns entwickelt hat.

Besonders hervorzuheben ist die empathische Identifikation des Philharmonischen Orchesters Hagen mit der ausdrucksstarken Musik Korngolds unter dem elangeladenen Antony Hermus: der 20er-Jahre Geist, Strauss und Schreker überbietend, lebt auf und beweist seine aktuelle Relevanz!

Ganz wunderbar: Im (neuen) Hagener Publikum kann man sich zu enthusiastischen Bravos bis zu standing ovations steigern!

Ein handwerklicher Mangel darf bei aller Begeisterung nicht unerwähnt bleiben: Wenn es denn schon dankenswerterweise eine Übertitelung gibt, sollte auch darauf geachtet werden, dass sie lesbar ist, und nicht durch das Bühnenlicht überstrahlt wird. (frs)