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Fakten zur Aufführung 

SALSIPUEDES
(Daniel Catán)
17. April 2009
(Europäische EA: 4. April 2009)

Theater Hagen


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Publikum

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Narkotikum

Salsipuedes Anno 1943: Präsident General García erklärt den Krieg gegen Nazi-Deutschland. Wie gut, dass gerade ein funkelnagelneues Kriegsschiff bereitsteht, die „Unbesiegbare“.

Der Komponist Daniel Catán, 1949 in Mexico-Stadt geboren, erzählt in seiner Oper keine Kriegsgeschichte aus Sicht einer fiktiven Südseeinsel, auch keine des Widerstands gegen Tyrannen oder dergleichen. Die Story ist viel schlichter - und dreht sich um Liebe. Und um die Eifersucht, die Ulises (Dominik Wortig) und Chucho (Raymond Ayers) bei ihren eben erst Angetrauten Lucero (Marion Costa) und Magali (Kristine Larissa Funkhauser) wecken. Ulises und Chucho, zwei Musiker, geraten eher durch Zufall auf das Kriegsschiff – und kommen nicht rechtzeitig dort wieder herunter, sodass der Kahn zusammen mit ihnen in See sticht. Die frisch gebackenen Ehefrauen haben das Nachsehen, reisen ihren Liebsten jedoch hinterher und finden sie im Hafen von Puerto Alegre vor – deutlich angeschickert und mit zwei anderen Hübschen im Schlepptau. Es kommt, wie es kommen muss: große Szenen, heftige Vorwürfe, Wut und Verzweiflung.

Das ist der Kern der Oper, die Nebenhandlungen sind mitunter ganz witzig, etwa der Umstand, dass der Gegner Nazi-Deutschland von höchster politischer Stelle Salsipuedes’ nicht boykottiert sondern stattdessen mit köstlichen Delikatessen beliefert wird. Geschäft kommt halt vor Moral! Kapitän Magallanes (Orlando Mason) steckt auch mit den Deutschen unter einer Decke und dealt mit Schmuggelware. Peinlich, dass diese brisanten Umstände publik werden! General García (Richard van Gemert) wird von seinem Adjutanten liquidiert, das Kriegsschiff wird von feindlichem U-Boot-Feuer getroffen.

Für dies alles braucht Daniel Catán über zwei Stunden – zwei lange Stunden, denn musikalisch hat Catán sein Pulver bereits nach zehn Minuten völlig verschossen. Dabei beginnt das Werk ganz spannend: da klingt es nach Karibik pur, nach Südsee, nach temperamentvollen Menschen in sonnigem Klima, in dem man sich gern mal spontan zum Tänzchen an die Hände fasst. Der charakteristische Rhythmus – beständiger Wechsel von Zweier- und Dreiertakt – lässt anfangs aufhorchen. Doch schnell wird klar: die Musik erschöpft sich in der Wiederkehr des ewig Gleichen, entfaltet ziemlich rasch narkotisierende Wirkungen, weil schlichtweg nichts Neues mehr kommt. Auch die Orchesterfarben – Blech und Holz, ein Klavier, ein paar tiefe Streicher und einiges an Schlagwerk – zeigen sich unablässig aus ein- und derselben Perspektive.

Catáns Musik ist vor allem dort nicht operntauglich, wo es um den Gesang geht. Über weite Strecken wird auf gleich bleibender Tonhöhe rezitiert, was die Ohren arg ermüdet. Kleinere oder womöglich größere Melismen sind so gut wie völlig ausgespart, Catán vertont den Text fast ausnahmslos syllabisch. Das ist fatal, denn so versagt er sich die Chance, Empfindungen von Liebe, Enttäuschung, Verzweiflung wirklich lebendig werden zu lassen. Die Sängerinnen und Sänger erzählen, sie äußern sich – aber ihnen fehlt weitestgehend die Gelegenheit, ihr Inneres nach außen zu transportieren.

Ein letzter Schwachpunkt: die Textverständlichkeit! Bei einer solchen Produktion, einem Stück, das niemand kennen kann, gebührt der Textverständlichkeit oberste Priorität. Die Hagener Produktion leidet da diesmal unter erheblichen Defiziten – die hätten ausgeglichen werden können, hätte man die Übertitel-Anlage mobilisiert. Ob deutsch gesungene Opern auch (deutsch) übertitelt werden sollten, darüber gibt es lange Diskussionen. In diesem Fall wäre der – gewiss nicht unerhebliche – zusätzliche Aufwand in jedem Fall Gold wert gewesen.

Dabei wird in Hagen nicht schlecht gesungen. Wie auch! Das Haus verfügt seit Jahren über ein ausgezeichnetes Ensemble, das weit über dem Durchschnitt vergleichbar großer Häuser liegt.

Bernhard Steiner dirigiert das Philharmonische Orchester Hagen, kann aber über die so häufige Spannungslosigkeit der Partitur nicht hinweghelfen. Dass die Produktion nicht gerade prickelnd ist, liegt auch nicht an Regisseur Thilo Borowczak. Er hat das Geschehen – so weit man davon sprechen kann – gut im Blick, bewegt die Personen schlüssig und gekonnt. Auch Ausstatter Jan Bammes liefert ein adäquates, wenn auch ein wenig schlichtes Bühnenbild mit allem, was zu dieser Geschichte dazugehört: ein Festsaal für die Hochzeit, ein Schiffsdeck, eine Hafenkneipe etc.

Das Publikum im Hagener Haus – es lauscht der ersten Aufführung nach der Premiere – ist klein an Zahl. Und wird nach der Pause noch einmal deutlich kleiner. Wer vorzeitig ging, hatte nichts verpasst. Nur eine Stunde Musik, die man längst schon zur Genüge bekommen hatte und die in einem überraschend lakonisch angesteuerten D-Dur-Dreiklang zerfloss.

Christoph Schulte im Walde

 








 
Fotos: Stefan Kühle