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Fakten zur Aufführung 

IM WEIßEN RÖSSL
(Ralph Benatzky)
30. November 2010
(Premiere: 27. November 2010)

Theater Hagen


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Die ganze Welt ist himmelblau (?)

„Es muss was Wunderbares sein, von Dir geliebt zu werden“ - wenn Oberkellner Leopold seine Wirtin Josepha anschmachtet, dann ist klar: wir befinden uns „Im weißen Rössl“. Thilo Borowczak entkleidet Benatzkys Singspiel von allem affirmativ heimattümelndem Plüsch und stellt eine hinreißende Revue auf die Bühne – ein Theater auf dem Theater: die Darstellerin der Josepha will der Provinz entkommen und mit ihrem neuen Lover (natürlich dem Tenor) nach Berlin gehen. Die doppelte Handlung funktioniert prächtig und betont den Nummerncharakter des Singspiels.

Das Geschehen entfaltet sich um eine überdimensionale Rössl-Wirtin im Dirndl und mit „ordentlich Holz vor der Hütt’n“, deren linker Busen sich auch in den begehrten Gastzimmerbalkon verwandeln kann. Hier tummeln sich Berliner Fabrikanten, Privatgelehrte und nicht zuletzt der schöne Sigismund Sülzheimer. Am Ende kriegen sich natürlich alle Paare, denn im „Salzkammergut, da kann man gut...“

Was Borowczak und seine Mitstreiter bis dahin aber bebildern, zeugt von ihrer großen Lust und Kreativität, mit dem sie dem weißen Rössl begegnen. Unendlich viele hübsche Einfälle reihen sich aneinander wie Perlen auf einer Schnur. Da wird mit der Folklore gespielt: Im Takt wippende Kühe besingen die schöne Natur, auf Bestellung zeigen sich schuhplattlernde Lederhosenträger (die grenzenlos fantasievolle Kostümbildnerin Martina Feldmann steckt die Tänzer des Ballett Hagen in knappe Shorts), knackige Skifahrer kommen vorbei, zünftige Bergsteiger machen sich startklar. Dann geistern tanzende Nadelbäume über die Bühne und der Chor lässt - als schwarz gewandete Ansammlung von Witwen - sich von einem schrägen Reiseführer (herrlich silbereisenhaft: Götz Vogelgesang) zum Kauf von Heizdecken inspirieren.

Ricardo Viviani setzt das Ballett in Szene, das durch und durch glänzen kann, besonders im herrlichen Unterwassertanz mit riesigen Angelhaken und Sigismund als Fischretter.

Mit überbordendem Ideenreichtum wird kein Operettenklischee ausgelassen - das sich dann aber sofort wieder selbst auf die Schippe nimmt. Eine Komödie, befreit vom süßlichen Guss und kalauerndem Humor der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre, der das Stück schon so gut wie erstickt hatte. So aber kann man, und das nicht nur in Hagen, erleben, wie eine Totgesagte, die Operette, frisch-freche Urständ hält und sich quicklebendig zeigt – Momente des Innehaltens inklusive: zu den Worten der Vogelhuberin „Aber der allerschönste Traum bleibt nur Schaum“ sitzt das gesamte Operetten-Personal nachsinnend auf der Drehbühne...

In bester Laune zeigt sich auch das Philharmonische Orchester Hagen unter Bernhard Steiner, das ganz entspannt mit großem Spaß und swingendem Sound zauberhafte Revue-Stimmung verbreitet.

Das singende Ensemble hat nicht nur hör-, sondern auch sichtbar viel Freude: Stefanie Smits glänzt als Rössl-Wirtin Josepha Vogelhuber mit schickem österreichischem Akzent und wohltönendem Sopran. Den verliebten Zahlkellner Leopold gibt Werner Hahn mal ganz schmachtend, mal zutiefst verzweifelt. Tanja Schun (Ottilie) und Jeffery Krueger (Dr. Siedler) singen als frisch verliebtes Paar ebenso beweglich wie sie sich tanzender Weise zu bewegen verstehen. Toll anzusehen der glatzköpfige Sigismund Sülzheimer (Richard van Gemert) und sein lispelndes, angebetetes Klärchen (Stefanie Köhm). Guido Fuchs ist mit seiner Berliner Kodderschnauze als Fabrikant Giesecke einfach umwerfend, Robert Schartel als Professor Hinzelmann ein ziemlich komischer Vogel. Beide zusammen sorgen für die humorvollsten Einlagen.

Aber auch die kleinen Rollen sind hervorragend besetzt: Horst Fiehl als gravitätischer, auch mal einnickender Kaiser, Emanuele Pazienza als lebendig-frecher Piccolo und Verena Grammel als schrill-jodelnde Briefträgerin runden das Personal perfekt ab. Das gilt vor allem auch für den agilen, spielfreudigen Chor (Einstudierung: Wolfgang Müller-Salow), der in viele Rollen schlüpfen muss.

Auf das Publikum sprang der Funke direkt über. Man ließ sich mitreißen vom wirbelnden Bühnengeschehen und applaudierte am Ende begeistert.

Thomas Hilgemeier

 

















Fotos: Stefan Kühle