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Fakten zur Aufführung 

RIGOLETTO
(Giuseppe Verdi)
10. Januar 2009 (Premiere)

Theater Hagen


Points of Honor                      

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Gesang

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Wer ist der Größte

Für Regisseur Gregor Horres ist Verdis Hofnarr Rigoletto Baustein einer höfischen Gesellschaft. Dort spielen sich brutale Machtkämpfe ab, die darauf zielen, in dieser, eigensüchtigen, kalten, aber auch seltsam hermetischen Welt die Karriereleiter hinaufzusteigen. Rangniedere werden gnadenlos gemobbt, vor Höheren wird gebuckelt. Und um Ziele zu erreichen, ist jedes Mittel recht: brutale Späße ebenso wie Ehebruch, Entführung, ja sogar Mord.

Horres findet beredte Bilder für dieses Leben. Sein Ausstatter Jan Bammes hat ihm eine Einheitsbühne gebaut: ein hohes Metallgerüst mit zwei Ebenen, deren Rahmen fachwerkartig mit milchig durchscheinendem Gewebe abgeteilt sind. Hier tummeln sich die Höflinge des Herzogs von Mantua. Alle in schwarzes und rotes Leder gekleidet, buhlen sie wie ein Rudel Wölfe um die Gunst des Herrschers – dirigiert durch den derzeit Ranghöchsten: Marullo unterstreicht das durch den Gebrauch einer Peitsche. Beobachtet wird diese Gesellschaft durch skurrile Figuren mit riesigen Masken. Sie verdeutlichen die Grundkonstanten dieser Gesellschaft: Angst und Verschlagenheit. Außerdem lauert überall der hohläugige Tod.

Und für Horres hat Rigoletto keine Narrenfreiheit, vielmehr muss er mitspielen in diesem gnadenlosen System. Demgegenüber hat er sich in der klösterlich anmutendenden, spartanischen Umgebung, in der seine Tochter Gilda aufwächst, eine Gegenwelt geschaffen. Als das reale Leben dort einbricht und Gilda Opfer einer Hofintrige wird, kennt Rigoletto nur ein Ziel: Rache. Aber Gilda wird das indirekte Opfer seines Tuns. Mit ihrem Tod muss er sich von ihr verabschieden - wie auch von seiner Utopie. Die höfische Realität hat gesiegt.

Horres’ Interpretation wird getragen vom großartigen Sängerensemble. Das beginnt schon bei den kleineren Rollen. Rolf A. Scheider mag es vielleicht an satter Tiefe mangeln, aber seine Darstellung des verzweifelten Selbstmörders Monterone ist bestürzend und hat Kraft. Das gilt ebenso für den fiesen Marullo (Ingmar Klusmann). Marilyn Bennett ist eine laszive, habgierige Maddalena, deren schön grundiertem Mezzo aber auch Töne des Mitleids entströmen. Lediglich der junge Nachwuchssänger Orlando Mason wirkt als riesenlanger Räuber Sparafucile noch ein wenig schüchtern, wenngleich seine Stimme ganz verheißungsvoll und absolut ausbaufähig klingt. Der an Verdi erprobte Ricardo Tamura ließ als strahlender, höhensicherer Herzog keinen Zweifel daran, wer im Zentrum der Macht sitzt. Ein Ereignis ist Stefania Dovhan als Gilda. Wie sie alle Emotionen nach außen trägt, ist phänomenal: Gefühle unschuldiger Kindesliebe, Verlangen nach dem Herzog, tiefste Verzweiflung und Mitleid. Dovhan führt ihren Sopran überlegen, ohne jedes Zögern bis in die höchsten Höhen, verfügt über unzählige Nuancen und ein anrührendes Piano.

Enormes leistet vor allem auch Frank Dolphin Wong in der Titelrolle. Er spielt nicht, er ist Rigoletto, beglaubigt dessen Gefühlswelten vom vorschnellen Triumph bis zur bittersten Verzweiflung. Besonders seine große Szene im zweiten Akt zeigt die immense Wandlungsfähigkeit und Leuchtkraft seines Baritons, die im Laufe seiner Hagener Jahre sich entwickelt hat. Schön, dass diesem Theater immer wieder vorzügliche Ensemblearbeit gelingt und solche Sternstunden des Gesangs möglich werden.

Zu dieser Sternstunde trugen die Hagener Philharmoniker unter ihrem neuen GMD Florian Ludwig nicht unwesentlich bei. Mit Lust wurde hier Verdi musiziert und Wert gelegt auf differenziertes Spiel. Da ging nichts in Klangwolken unter, auch wenn gegen Ende die Spannung ein klein wenig nachließ.

Das Hagener Premierenpublikum feierte „seine“ Sänger zu Recht ganz ausgiebig und bedachte das Regieteam mit freundlichem Beifall, der durchaus etwas enthusiastischer hätte ausfallen können. Leider gingen einige stark erkältete Besucher wieder einmal lieber ins Theater als zum Arzt.

Christoph Schulte im Walde
 






 
Fotos: Adolf Kühle