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Fakten zur Aufführung 

THE RAKE'S PROGRESS
(Igor Strawinsky)
12. März 2005 (Premiere)

Theater Hagen

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Nice guy

Hogarths pädagogische Bilderfolge ist Dokument der englischen Aufklärung; W.H. Andens Libretto ein Exempel für moralischen Impetus. In Hagen inszeniert Rainer Friedemann ein eher harmloses Märchen übersinnlicher Kräfte. The Rake (gemeinhin: der Wüstling) ist „the nice guy next door“; der böse Nick Shadow eigentlich ein jovialer Kumpel; die unheimliche Baba Turca eine fröhliche Skurrilität – dämonisch ist da nichts, eher liebenswert putzig. Die Agierenden gehen durchaus behutsam miteinander um, von zerstörerischen Vernichtungswillen keine Spur, entsprechend „friedlich“ die Kernszenen des eigentlich aggressiven Opus: der Abschied Tom Rakewells, der Auftritt Baba Turcas, die zerstörerische Brot-Maschine, die Versteigerung, das Kartenspiel, aber auch die Irrenhausszene (Anne Trulove und Tom wie eine Pieta; die definite Schlussmoral – Lichtfluten ins Publikum – bleibt diffus: „Das Märchen ist zu Ende!“

Antony Hermus dirigiert das Philharmonische Orchester Hagen mit beeindruckendem Verständnis für Harmonien, lässt die vielen Adaptionen Strawinskys (1951) quellenauthentisch hören – ob Mozart, Händel, Klassik, Belcanto oder Krenek – deutet auch Strawinskys Spott über verstiegene Ansätze „moderner“ Kompositionskunst genussvoll – doch bleiben die dämonischen Brüche aus.

Gleiches gilt für die überaus phantasievoll-farbenfrohe Bühne Olaf Zombecks (optisch faszinierend die Schwarzlicht-Effekte) und die brillanten Kostüme: wunderbar anzuschauen, doch ohne Spannung, ohne verstecktes Grauen.

Dominik Wortig ist der sympathische Tom Rakewell: stimmlich ein Hochkaräter mittlerweile, in Intonation und Phrasierung ständig integriert in die Orchesterklänge, lustvoll anhörbar. Gleiches gilt für die klangschönen Andrey Valiguras als Vater Trulove, Dagmar Hesse als lyrische Anne ohne jegliche Schärfen und Frank Dolphin Wong als kraftvoll timbrierter Nick Shadow; Nadine Weissmanns Türkenbaba fehlt die Kraft zur abgründigen Wut.

Das traditionelle Hagener Publikum straft das Bemühen um aktuelles Musiktheater wie gewohnt ab: viele Plätze bleiben leer, viele verlassen beleidigt das Haus zur Pause. Der Rest ist durchaus begeistert. Wann geschieht in Hagen der andernorts stattgefundene Bewusstseinswandel? Denn das ist absolut unzeitgemäß: Sein Theater zu lieben, aber nur dann, wenn bezahlte Heloten das Immergleiche rekapitulieren, das geht nun wirklich nicht. Ernsthaft: Den fehlenden Respekt für die hochmotivierten Künstler einzufordern ist Aufgabe der Besucher-Organisationen; engagiert Euch für die Kunst als „Lebensmittel“ (von Weizsäcker). (frs)


Fotos: © Stefan Kühle