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"Gott lass mich weise sein!", das
"Gottesgericht", das dominierende Kreuz, der Portalvorhang mit dem Altarbild
von St. Sebaldus in Nürnberg, Elsas Ruf nach dem All-Erbarmer: Hagens
"Lohengrin" wird zur emphatischen Rückbesinnung auf christliche Erlösungsvorstellungen.
Rainer Friedemann inszeniert eine bedrohliche Gesellschaft, beherrscht
von dunklen Mächten; der utopische Lohengrin scheitert, erst der Verweis
auf die dritte, höhere Macht Christus bringt Erlösung.
Ästhetisch gerät die Hagener Inszenierung höchst eindrucksvoll: der dunklen,
gewalttätigen Welt Telramunds und Ortruds stehen die Massen indifferenter
Angepasster gegenüber, darüber der zweifelnd-suchende König, abgehoben
der unirdische Lohengin, Elsa als Frieden suchende Identifikationsfigur.
Walter Perdacher baut dafür eine schräge, bewegliche bühnenfüllende Scheibe
mit bühnenhohen halbrunden Segmenten, die genügend Raum für Auftritte
von Chor und Solisten bieten. Das alles geschieht im blauen Licht, wie
es schon Wieland Wagner präferierte, um mystische Stimmungen zu evozieren.
Georg Fritzsch begleitet das Menscheitsdrama mit dem klangsicheren Philharmonischen
Orchester Hagen voller Verve, kostet lyrische Passagen im Streicherpiano
aus, scheut aber auch nicht vor brausenden Crescendi zurück - zwar kein
"neues" Wagner-Verständnis, aber musikalisch perfekt!
Die Bösen sind die Stars des Abends. Mit Hermine May singt in Hagen eine
Mezzosopranistin mit selten gehörter vokaler Spannbreite, wunderbar geschmeidig,
klangschön, voller Leidenschaft. Dem kraftvollen Bariton Johannes von
Duisburgs fehlt ein wenig "Kultur", um zu den ganz Großen zu werden, sein
Telramund vermittelt archaische Urgewalt. Die Elsa Dagmar Hesses lässt
mit ihrem fundierten Sopran alle Zweifel und Hoffnungen der bedrängten
Frau intensiv hörbar werden. Mehrzad Montazeris Lohengrin trifft den Wagner-Ton
im Timbre perfekt, doch fehlen die letzten Elemente von Volumen und Geschmeidigkeit:
durchaus klangschön-lyrisch, höhensicher - und eine brillante Erscheinung!
- aber ohne letzte Durchschlagskraft. Jae Jun Lee als Heinrich und Bernd
Valentin als Heerrufer bestätigen mit kompetenter Performance den guten
Standard des Hagener Theaters.
Was überrascht: das sperrig-konventionsorientierte Hagener Publikum steigert
sich zu zehn Minuten standing ovations! Begeisterung pur in einem sonst
eher dumpf konsumierenden Haus: Intendant Friedemann hat offenbar den
(verborgenen) Nerv getroffen! (frs) |
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