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Fakten zur Aufführung 

DEAD MAN WALKING
(Jake Heggie)
11. September 2007
(Premiere: 8.9.07)

Theater Hagen

Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Amerika, Amerika

Es ist die Begegnung mit dem „guten“ Amerika, wie wir es aus den Dramen und Filmen der 50er Jahre kennen – ein personalisierter Konflikt mit vorsichtigem Einbezug gesellschaftlicher Bedingungen, eine konzentriert erzählte Geschichte mit emotionalisierenden Alltagsszenen, die eindeutige Konfrontation von Gut und Böse mit ungelösten Zwischentönen, die Fixierung auf eine sich selbst nicht sicherer „Heldin“: mit einem moralisch korrekten Ende, aber ohne Lösungen zu provozieren - die können sich in den Köpfen der Zuschauer eventuell ergeben.

Terrence McNally (Masterclass) schreibt ein Libretto mit all diesen erprobten Ingerdienzien – und es ist unstatthaft, der kalkulierten Konstruktion den tiefen Ernst abzusprechen.

Jake Heggie nutzt für die Todeszellen-Oper die konventionellen Mittel amerikanischen Musiktheaters - eine Struktur nach dem Vorbild der Oper des 19. Jahrhunderts, intoniert Folk-Passagen, rekurriert auf Jazz und Gospel, übernimmt Musical-Attitüden und beschreibt auf diese Weise operationalisierte menschliche Gefühle – und erinnert permanent an die großen Meister der Musik Hollywoods wie Herrman, Rojas oder Korngold.

Antony Hermus wird mit den differenziert aufspielenden Musikern des Philharmonischen Orchesters Hagen den gefühlsträchtig-eingängigen Angeboten fantastisch fertig – technisch perfekt, ohne Aplomb, aber auch ohne nahe liegende Sentimentalität, gelingt ein musikalisch berührender Abend.

Roman Hovenbitzer inszeniert das gebrochene Engagement der Schwester Helen für den Todeskandidaten Joseph De Rocher mit ihren belastenden Begegnungen mit den Eltern der Mord-Opfer mit viel Verständnis für den american style und mit dessen Vorliebe für theatralische Gesten – aber auch mit viel Sensibilität für die plakativ-leidenden Personen.

Jan Bammes stellt eine kultivierte Knast-Architektur auf die Bühne, variiert die Szenerie durch eine dazwischengebaute Milchglas-Wand und gibt auf einer portalgroßen Projektionsfläche Gelegenheiten für die brutal-segmentierten Videos vom Mord und unterschwelligen Imaginationen von Thorsten Alich.

Die vorzüglichen Sänger-Darsteller des Hagener Ensembles spielen ihre Rollen genregerecht perfekt, lassen sich mit viel Emotion auf die sängerischen Herausforderungen ein: Kristine Larissa Funkhauser als stimmlich-variable Sister Helen, Frank Dolphin Wong als aggressiv stimmgestaltender Dead Man, Tanja Schun als frei intonierende Kitty, Christine Hansmann als Mörder-Mutter mit bemerkenswerten Zwischentönen; Werner Hahn als kämpferischem Owen und Marilyn Bennett als Jade Boucher gelingen eindrucksvolle Rollen-Porträts. Das gesamte Hagner Ensemble überzeugt mit darstellerisch-stimmlicher Kompetenz.

1993 das Buch von Helen Prejean, 1995 der oscar-prämierte Film mit Susan Sarandon, 2000 die Premiere der Oper in San Francisco mit nachfolgenden Aufführungen in englischsprachigen Ländern, Juni 2006 die deutsche Premiere in Dresden (Nikolaus Lehnhoff) – und noch vor der Präsentation im Theater an der Wien die bewundernswerte Aufführung in Hagen! Das Hagener Publikum lässt sich auf Thema, Problematik, Erzählstruktur und musikalischen Duktus ein, weiß die Leistungen von Orchester, Gesang-Solisten und Bühne zu schätzen - und verlässt nach dem atemraubenden Schluss – die Hinrichtung ohne Musik – durchaus nachdenklich das Theater. (frs)