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Fakten zur Aufführung 

LA CENERENTOLA
(Gioacchino Rossini)
25. Februar 2009
(Premiere: 7. Februar 2009)

Theater Hagen


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Liebe auf den ersten Blick

„Ein Schiff wird kommen und das bringt mir den Einen...“, schlagerte es einst ganz sentimental. Aber wie das glücklicherweise so ist, werden manchmal Träume wahr, auch kitschige, zumindest im Märchen – und in der Oper.

Keine reich geschmückte Kutsche mit schnaubenden Pferden bringt den Prinzen, der derzeit im Theater Hagen auf Brautschau geht. Nein, Regisseurin Annette Wolf lässt eine schnittige Luxusyacht ankern, heraus tritt Gioacchino Rossinis fescher Don Ramiro. Das Märchen vom „Aschenputtel“ kann beginnen, die Auserkorene ist bereits da und macht in trüben, grauen Kleidern ihren Strandimbiss startklar für das Tagesgeschäft mit Pommes und Cola.

Es ist Liebe auf den ersten Blick. Doch bis zum Happy End vergeht eine ganze Zeit, in der sich vor allem zwei zickige Gören produzieren wollen, vorgeschoben vom Herrn Papa namens Don Magnifico, dem heruntergekommenen Baron von Montefiascone. Eine Liaison mit Ramiro, dem Traumprinzen, verspricht vor allem dies: die Aufbesserung der eigenen ökonomischen Lage!

Und so überbieten sich Tisbe und Clorinda, dem „Heilsbringer“ zu gefallen. Dabei beweist die Hagener Inszenierung eine ganze Menge Humor und immer wieder kraftvolle Situationskomik. Da herrscht nirgends Langeweile, im Gegenteil: die Überzeichnung der Dümmlichkeit, die für Don Magnifico und seine beiden Blondinen-Töchter prägend ist bis hinein in deren Kostüme (Lena Brexendorff, auch verantwortlich für das Bühnenbild), liefert unablässig erfrischende Momente – in perfekter Übereinstimmung mit Rossinis sprudelnder, quirliger Musik.

Marilyn Bennett und Nadine Lehner fühlen sich in ihren Rollen als Tisbe und Clorinda pudelwohl, spielen herrlich überdreht, gehen mit ihrem Gezicke ziemlich bald jedem auf die Nerven. Rolf A. Scheider als Papa überbietet sich in seiner Devotheit gegenüber all denen, von denen er sich selbst etwas erhofft, zu allererst natürlich vom Prinzen – oder dem, den er anfangs dafür hält. Doch „in echt“ ist es nur Dandini, der Kammerdiener. Richard Morrison gefällt sich sehr in dieser Rolle, die ihm sein Herr überlassen hat. Der echte Prinz ist ein Strahlemann – und daran lässt Jeffery Kruegers glänzender Tenor auch keinen Zweifel. Annette Stricker interpretiert die Titelrolle, schauspielerisch restlos überzeugend, stimmlich mit einem Mezzo, der die anspruchsvollen, virtuosen Koloraturen mit Grandezza bewältigt, vielleicht noch etwas an Körper, an raumgreifender Statur zulegen könnte.

Überhaupt wartet die Hagener Produktion mit Stimmen auf, deren Niveau sich hinter dem größerer Häuser wahrlich nicht zu verstecken braucht. Das will etwas heißen, denn Rossini ist immer ein „Spezialfall“, der dem gesamten Ensemble einiges abverlangt. Was insbesondere Krueger, Stricker und Lehner zu bieten haben, ist schon enorm. Auch Orlando Mason als Strippen ziehender Philosoph, der es in seinem Beruf nicht eben weit gebracht hat, macht eine gute Figur. Die Tatsache, dass Mason ein Mann von weit über zwei Metern Körperlänge ist, nutzt die Regie für einen besonderen Gag: anfangs rutscht Alidoro – für das Publikum nicht erkennbar - ausschließlich auf Knien über die Opernbühne, sieht aus wie ein Gnom – und streckt sich zu ganzer Größe empor, als er Cenerentola von dem „ganz Großen“ erzählt, das ihre Zukunft womöglich bereit hält.

La Cenerentola lebt nicht zuletzt von den rasenden Ensembles mit ihren aberwitzigen Koloraturen und virtuosen Tongirlanden, die im Verlauf der Oper immer weiter an Tempo zulegen. Und gerade das vollzieht Wolfs Regiearbeit ganz toll nach. In dieselbe Richtung geht Steffen Müller-Gabriel mit dem Philharmonischen Orchester Hagen. Da gibt es immer wieder ausgezeichnete Soli, vor allem der Holzbläser. Insgesamt bietet Müller-Gabriel einen stellenweise etwas zu kräftigen, sich in den Vordergrund drängenden Klang, schafft aber auch immer wieder akkurat gewobene Klangflächen, auf denen sich das muntere Spiel auf der Bühne locker und farbig entwickeln kann. Nervig ist das Hammerklavier bei den Secco-Rezitativen, das sich in selbstverliebten Sturzbächen aus Sechzehnteln und Zweiunddreißigsteln ergeht und damit wohl Aufmerksamkeit erheischen möchte, die ihm gar nicht zusteht. Nach fünf Minuten ist man schwindelig geworden von solcher Art „Begleitung“.

Das Publikum hat sichtlich Freude am bunten Treiben, begreift aber auch das Hintersinnige, ja die Boshaftigkeit, mit der Rossini die Typen seiner Oper beschreibt. Am Ende keine ganz „heile Welt“: vielmehr drückt Aschenputtel ihren beiden unterlegenen Schwestern Handfeger und Kehrblech in die Hand. Jetzt macht ihr meine Drecksarbeit!

Christoph Schulte im Walde

 








 
Fotos: Stefan Kühle