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Fakten zur Aufführung 

JULIUS CAESAR
(Georg Friedrich Händel)
12. Januar 2008 (Premiere)

Theater Hagen


Points of Honor                      

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Praller Barock

Trotz herber finanzieller Einschnitte und großer Existenzsorgen konnte das Theater Hagen in den vergangenen Jahren immer wieder mit herausragenden Produktionen und überraschenden Ausgrabungen von sich reden machen. Unter dem neuen Intendanten Norbert Hilchenbach wird nun eine über mehrere Spielzeiten hinweg angelegte Reihe mit bedeutenden Barockopern begründet. Sicher nicht ganz ohne Risiko, denn gerade auf diesem Gebiet sind es nach wie vor die Spezialensembles, die mit ihren Aufführungen Maßstäbe setzen.

Doch was jetzt in Hagen zu hören und zu sehen war, gehört zweifellos in die künstlerische Oberliga: Georg Friedrich Händels „Julius Caesar in Ägypten“ – ein Stück, das gut und gern aktualisiert werden kann. Regisseure wie Peter Sellars haben das vorgemacht, auch Nicholas Broadhurst ließ 1996 in Essen Julis Caesar zum US-Truppenkommandanten im Golfkrieg mutieren. Gregor Horres indes lässt in seiner Lesart des antiken Stoffes die Finger von tagespolitisch Aktuellem. Vielmehr arbeitet er heraus, wie Intrigenspiel und Boshaftigkeit die handelnden Figuren entweder zu Puppenspielern oder zu Marionetten werden lässt. Sechs von Jan Bammes gebaute, meterhohe und leicht verschiebbare Marmorsäulen können alle Räume im Königspalast individuell charakterisieren. In diesen Hallen kocht jeder seine eigene Suppe und versucht, andere zu instrumentalisieren - dies alles gekleidet in schöne Bühnenbilder. Bisweilen bleibt aber die Interaktion der Protagonisten ein wenig karg, wenn nicht statisch.

Doch Horres kann voll und ganz auf die emotionale Kraft der Musik vertrauen. Gwennolé Ruffet, Erster Kapellmeister am Hause, entfaltet mit dem Hagener Orchester über drei Stunden lang eine unerhörte Farbigkeit, und das Ensemble auf der Bühne ist große Klasse. Darunter zwei blutjunge Stimmen, die wirklich aufhorchen lassen. Countertenor Filippo Mineccia, Jahrgang 1981, kann als Caesar beides: rasender Rächer sein („Empio, dirò, tu sei“) – aber auch beim Leichenschmaus für den geköpften Pompeius ganz versunken übers Leben sinnieren (in dem begleiteten Rezitativ „Alma del gran Pompeo“). Maria Friderike Radner, ebenfalls Jahrgang 1981, ist ein seltenes Juwel und verleiht der leidenden Cornelia große Glaubwürdigkeit, bringt ihre füllige, aber sehr bewegliche Stimme rotgolden zum Funkeln. Betörend ihre Totenklage „Priva son d’ogni conforto“, die Ulrich Schreiber als „eins der Händelschen Wunder dieser Partitur“ bezeichnet hat. Radner weiß dieses Wunder in anrührenden Klang umzusetzen.

Ptolemäus ist der etwas dümmliche Ägypterkönig, der in seiner Machtzentrale gern mit Weltkugel und Spielzeugpanzer hantiert. Rolf A. Schneider geht in dieser Rolle stimmlich wie darstellerisch vollkommen auf. Kristine Larissa Funkhauser spielt den aufgekratzten Sextus, der Rache für den gemordeten Vater fordert – und sich so als echten Mann beweisen will.

Die Krone aber gebührt - und das war schon zu Händels Zeiten so - einer Sopranistin. Trotz grippalen Infekts brannte Stefania Dovhan ein wahres Feuerwerk an Koloraturen ab. Keine Frage: sie weiß, was sie kann und zeigt das auch - ganz Energie und Tatendrang versprühende Cleopatra.

Noch einmal zum Orchester, das bis auf kleine Blessuren am Premierenabend wirklich Außergewöhnliches leistete. Caesars Gleichnisarie „Va tacito e nascosto“ mit Horn-Solo, die Parnaß-Szene mit Bühnenorchester, überirdisch schöne Flöten, quirlige Holzbläser am Ende der Oper... über drei Stunden lang trug dieser frische, bewegliche und lebendige Orchesterklang. Absolutes Sonderlob verdient Cembalist Piotr Kupka: ein fantasievoller, kreativer Kopf. Mal mit stattlichem 16-Fuß-Register, mal mit dezent eingesetztem Lautenzug, und immer mit intelligenten Manualwechseln schafft er im Continuo einen unerschöpflichen Klangkosmos.

Das Hagener Publikum zeigte, je weiter der Abend voranschritt, mehr und mehr Begeisterung für Händels abendfüllendes Opus. Die enormen Leistungen wurden mit enthusiastischem Beifall honoriert, der Applaus auf offener Szene steigerte sich von Bild zu Bild. Am Ende großer Jubel. Selten war das Publikum derart aus dem Häuschen wie nach dieser Premiere.
Christoph Schulte im Walde

 

 








Fotos: Adolf Kühle