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Cio Cio San - Butterfly - ist ein
toughes japanisches Mädchen, das aus den finsteren Traditionen ausbrechen
will, aber die zivilisatorischen Rituale des bewunderten Amerika nicht
kennt. Sie wird zum Opfer nicht eines x-beliebigen US-Machos, sondern
eines total unsensiblen Kleinbürgers im Jack-Lemmon-Stil: Wolf Seesemann
trifft reflektiert ins Herz der US-amerikanischen Kulturignoranz!
Mit Dagmar Hesse ist eine selbstbewusste Butterfly zu sehen und zu hören
(kraftvolle Phrasierung, effektvolle Registerwechsel), für die der Selbstmord
als individuell-kulturelle Möglichkeit existiert. Darstellerisch gibt
Byoung Ho June den unbedarften bible belt-Ignoranten, warum er aber -
als indisponiert angekündigt - sich aufs sängerische Markieren beschränkte,
bleibt sein Berufsgeheimnis. "Opfer" des kommunikativ überzeugenden Regie-Konzepts
sind der amts-routinierte Konsul Sharpless des stimmlich zurückhaltenden
Bernd Valentin und vor allem Elvira Soukop, der die undankbare Rolle einer
traditionellen Dienerin verbleibt, ohne ihre gesanglichen Möglichkeiten
auszuleben.
Rainer Sinell baut eine großartige Bühne im klassischen Japan-Stil, kleidet
den Chor in aufwendige Kostüme und die Butterfly in einen american dress.
Das Philharmonische Orchester Hagen brilliert unter Georg Fritzsch: kein
larmoyanter Schwulst, sondern Lyrismen, american sound, Japonoiserien,
atonale Brüche von intensivster Klangfülle - höchst differenziert vorgetragen
und mehr als bloße Klangmalerei, vielmehr große Interpretation (kultur-)kritischer
Reflexion.
Das eher behäbige Hagener Publikum verfolgt die opulent-kritische Aufführung
aufmerksam. Der langanhaltende Applaus findet in jugendlichen Jubelrufen
für Hagen neue Artikulationsformen! Hagens Theater hat ein Highlight im
Stile Großer Oper im Spielplan. (frs) |
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