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Fakten zur Aufführung 

RITTER BLAUBART
(Jacques Offenbach)
7. Juni 2008 (Premiere)

Theater Hagen


Points of Honor                      

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Mafioso mit Privatarmee

Mit Jacques Offenbachs „Ritter Blaubart“ stand jetzt die letzte Premiere der Saison auf dem Spielplan im Theater Hagen. Kurz zuvor wurden - nicht zum ersten Mal - weitreichende Kürzungspläne bekannt. Würden diese umgesetzt, käme der Infarkt mit anschließendem Tod des vergleichsweise kleinen, schon seit Jahren mit ungeheuer wenigen Mitteln so ausgezeichnet arbeitenden Hauses.

Klar, dass der bei „Ritter Blaubart“ Regie führende Intendant Norbert Hilchenbach das Thema Kürzungen aufgriff und in seine Inszenierung integrierte. Behutsam, humorvoll – aber sehr, sehr deutlich. So gab es einen doppelt verpflichteten Dirigenten, der, kurz zuvor noch auf der Hasper Kirmes dirigierend, zur Premiere in den Orchestergraben hastete. Die Solisten, die anfangs in schönstem Französisch trällerten, wurden angehalten, konsequent deutsch zu singen - schließlich sei die Übertitelanlage längst Opfer der kommunalen Sparpolitik geworden. Auch die Ausstattung hatte bereits bluten müssen: statt hochherrschaftlicher Sänfte für die Prinzessin gab es für sie nur einen schnöden Rollstuhl, in dem sie über die Bühne geschoben wurde.

Dies alles fügte sich nahtlos ein in Hilchenbachs Annäherung an ein nicht leicht zu inszenierendes Genre. Mit großer Fortune gelang ihm die Aktualisierung der von Offenbach so herrlich verwandelten Mär vom frauenmordenden Herzog.

In Hagen ist Blaubart eine Art Mafioso, der mit seiner Privatarmee den auf leeren Pomp setzenden Hof der Königs Bobèche (herrlich als Sonnenkönigsparodie: Jürgen Dittebrand) mühelos beherrscht. Dabei geht Hilchenbach nichts von der Offenbachschen Doppelbödigkeit verloren, mit der dieser die Zurschaustellung und das Streben nach Macht und Einfluss herrlich auf die Schippe nimmt. All das kommt wunderbar zur Geltung, wenn etwa das schon vom Komponisten parodierte Schäferidyll zu Beginn ganz in die hippen Blumenmuster der siebziger Jahre eintaucht.

Getragen wird die Inszenierung von den groß auftrumpfenden Hagener Philharmonikern. Kapellmeister Gwennolé Rufet entlockt seinen Musikern die ganze Akkuratesse, aber auch die gehörige Leichtigkeit, ja die für Offenbach notwendige Portion Augenzwinkern - Komponenten, die unabdingbar sind, will man Offenbach wirklich gerecht werden. Wie schnell kann seine subtile Musik zu banalem Wum-ta-ta verkommen! Hier in Hagen nirgends!

Glanzvoll auch das singende Ensemble: Allen voran Dominik Wortig in der Titelpartie, von ihm überlegen gestaltet, ganz delikat und mit viel Sinn fürs Detail. Zur Seite standen ihm Olivia Saragosa als burschikose Bäuerin Boulotte, die letztlich den ruppigen Blaubart zähmt, Tanja Schun als Prinzessin Hermia, die mit großem Spaß sang und deren Schluchzen und Weinen wahre Lachsalven evozierte. Jeffery Krueger war ein toll schmachtender verliebter Prinz und Marilyn Bennett als Königin Clementine ein lüsterner Hausdrachen. Der Chor samt seiner Solisten zeigte sich rundherum spielfreudig – das Publikum verstand all die Anspielungen der Regie und spendete begeisterten Applaus.

Bleibt zu hoffen, dass Hagens Kulturpolitik nach dieser so großartigen Saison den Stellenwert seines eigenen Stadttheaters endlich richtig einordnet, die künstlerische Qualität begreift. Ein frommer Wunsch???

Christoph Schulte im Walde
 






Fotos: Stefan Kühle