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Fakten zur Aufführung 

L’HUOMO
Andrea Bernasconi
14. August 2009
(Premiere: 12. August 2009)

Ekhof-Theater Gotha
Ekhof-Festival


Points of Honor                      

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Barock-Faszination

Wunderbar, wie das intime Barocktheater im grandiosen Schloss Friedenstein zu „authentischem“ Musiktheater-Leben genutzt wird! In diesem Jahr präsentiert das Ekhof-Festival u. a. Erwin und Elmire der Herzogin Anna Amalia – und L’Huomo von Andrea Bernasconi, des Zeitgenossen von Graun, Hasse und Galuppi, einem führenden Barock-Komponisten, einem favorisierten Kapellmeister der Zeit, und virtuoser Akteur im sich wandelnden Musikverständnis um 1753. Die Initiative zur Oper am Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth ging aus von Wilhelmine, der Schwester Friedrichs des Großen. Es ist ein Paradestück der Aufklärung, im Libretto ein Bekenntnis zur Vernunft, ein Plädoyer für kontrollierte Leidenschaft, musikalisch ein Dokument der ausgehenden Konventionen mit nicht enden wollenden Da-Capo-Arien, artifiziellen Koloraturen, aber mit musikalischen Verweisen auf Haydns Reduzierungen und intensiven Instrumenten-Partien. Steffen Voss hat in akribischer Arbeit Libretto und Partitur mit Funden in Bibliotheken und Archiven rekonstruiert – und leistet damit einen bewundernswerten Beitrag zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts mit ihren „vernetzten“ Zentren in Wolfenbüttel, Bayreuth, Gotha, München.

Igor Folwill inszeniert das Spiel um die Prüfungen des liebenden Paars Animia und Anemone ganz nach den Möglichkeiten des Ekhof-Theaters, setzt die vorhandenen Möglichkeiten der noch funktionierenden barocken Bühnen-Maschinerie ein, vertraut auf die immanenten Aktionen und die Assoziationskraft des Geschehens – schließlich verweisen die Gefährdungen des Paares auf die „Prüfungen“ in Mozarts Zauberflöte.

Kerstin Beyer und Manfred Kaderk kleiden die Akteure in adäquat-zeitgenössische Kostüme – opulent und von großem optischen Reiz. Die Städtischen Bühnen Münster und die Oper Köln unterstützten das bemerkenswerte Projekt.

Es spielt das Concert Royal aus Köln auf historischen Instrumenten – und Steffen Leißner (bis 2002 GMD in Detmold) sorgt von Beginn an für dramatisierende Tempi, nutzt die heimelige Akustik des kleinen Barocktheaters zur Präsentation der Instrumente – differenzierte Streicher und bravouröse Bläser! – und zur Akzentuierung der Gesangs-Solisten.

Das junge Ensemble engagiert sich mit Leidenschaft für die anspruchsvollen Schwierigkeiten des Gesangs, beeindruckt durch hingebungsvolles Spiel. Johanna Winkel gibt der Göttin der Vernunft einen faszinierenden Grundton, brilliert mit ausdrucksvollen Koloraturen und entwickelt einen geradezu „überzeugenden“ Klang! Tanya Aspelmeier und Kathrin Hildebrandt geben dem Paar Animia und Anemone liebevollen Charakter, vermögen mit wunderbar-klarer Intonation Liebe, Leidenschaft, Zweifel, Hoffnung und erlöste Erfüllung intensiv zu vermitteln. Daniel Lager setzt seinen klangreichen Countertenor als Genius des Bösen souverän ein, beeindruckt mit variantenreicher Phrasierung. Stephanie Elliott gibt dem Genius des Guten brillanten Stimm-Glanz, hat mit den geforderten artifiziellen Tönen keine Schwierigkeiten, vergisst dabei nie die idealistische Botschaft der Rolle. Elisabeth von Stritzky als Vernünftige und Unbeständige Liebe wird zur lustvollen Komödiantin des „Lehrstücks“, bezaubert mit lockerem Spiel und überzeugt mit variabler „Barock-Stimme“. Maria Klier und Ji-Hyun An als personifizierte Wollust und Unbeständigkeit setzen darstellerische Akzente, überzeugen mit typengerechtem Gesang, klangrein und variationssicheren Stimmen.

Im traumhaften kleinen Theater mit der geradezu greifbaren Barock-Atmosphäre mischen sich traditionshungrige Theater-Freaks, kundige Barock-Kenner und eher uninformierte Bildungs-Touristen. Für die einen ist die Authentizität des Theaters das stimulierende Erlebnis, für die anderen die Begegnung mit authentischer Barock-Musik, für die „Touris“ die Effekte der Verwandlungs-Kulissen. Doch a la long setzt sich das Ingenium von Bild, Handlung, Musik und Gesang durch: es wird gespannt gefolgt und am Ende respektvoll applaudiert. Das Ekhof-Festival erlebt einen großen Erfolg!

L’Huomo wird auch noch im Bayreuther Markgräflichen Theater zu erleben sein.

Franz R. Stuke