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Fakten zur Aufführung 

ORPHEUS UND EURYDIKE
(Christoph Willibald Gluck)
25. September 2010
(Premiere: 18. September 2010)

Theater Görlitz


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Eine sündige rote Lasterhöhle 

Das östlichste Musiktheater Deutschlands muss offenbar kämpfen um seine Zuschauer. Die einst stolze, reiche Handels- und Industriestadt Görlitz, nach dem Zweiten Weltkrieg und den neuen Grenzen in fast  vergessene Randlage abgedrängt, erlebt  seit einigen Jahren dank ihrer  mustergültig sanierten Altstadt zwar einen regelrechten Touristenboom. Auf den mit Kopfstein gepflasterten Gassen folgt eine Stadtführung der nächsten  und in den  renovierten Renaissance-Häusern haben sich geschichtsbewusste westdeutsche Senioren eingemietet,  doch im kleinen aber feinen Opernhaus ist dieses neu erwachte Interesse an der niederschlesischen Grenzstadt noch nicht richtig angekommen.  Das 500 Plätze umfassende  Zwei-Rang-Theater,  nach der Wende ebenfalls wieder zu einem Schmuckstück herausgeputzt,  hatte bei der zweiten Aufführung der Neuinszenierung von Glucks Orpheus und Eurydike doch erkennbare Lücken in den Zuschauerreihen,  die nicht in dem begründet sein konnten, was auf der Bühne geboten wurde: einen  im Optischen und Musikalischen ansprechenden Opernabend, fernab jeglicher Regietheater-Ambitionen. 
Am meisten konnte die Inszenierung von Sebastian Ritschel in der Personenführung des Liebesgottes Amor als immer präsentem Strippenzieher überzeugen. Als Harlekin gekleidet  gab er den clownesken  Spielmacher, der mal im Hintergrund, mal direkt eingreifend vom Erhören der Klage Orpheus'  um seine tote Eurydike, über die Prüfungen in der Unterwelt bis zum glücklichen Ende immer  die Handlung vorantrieb und beherrschte.  Diese gelungene Aufwertung der Amor-Rolle, die musikalisch eher als kleine Partie gilt, konnte Antje Kahn mit ihrem hell blitzenden Sopran auch im quicklebendigen Spiel umsetzen und damit zum Dreh- und Angelpunkt der Neueinstudierung machen. Schwerer im Ausdruck der erschütternden Gefühle  hatte es in dem streng stilisierten Regie-Konzept  dagegen der Orpheus von Patricia Bänsch. Mit ihrem eher herben Mezzosopran war sie durchaus rollengerecht besetzt, doch von der Regie weitgehend alleingelassen,  wollten ihre Klagelieder nicht wirklich ans Herz gehen. Auch dank des jugendlich dramatischen Soprans von Audrey Larose Zicat  als Eurydike wurde das Duett mit Orpheus mit dem gegenseitigen Unverständnis über die Situation, als sich der Sänger in der Unterwelt gegenüber seiner Gattin nicht erklären darf,  zum zentralen  Kulminationspunkt  der Aufführung. Diese Dramatik kam an. Weniger hingegen der Versuch,  der Orpheus-Sage noch Platons Idee von den in zwei Hälften geteilten Kugelmenschen überzustülpen. Im theoretischen Gedankenkonstrukt durchaus nachvollziehbar,  blieben die Kugeln doch mehr verzichtbares Requisiten-Beiwerk, das zur Handlung nichts Wesentliches beitrug. Ein schönes Symbol immerhin war das Auseinanderbrechen einer  die Bühne beherrschenden Kugel in dem Augenblick,  als Orpheus entgegen der Götterweisung doch den Blick auf Eurydike richtet. Die Szene  (Karen Hilde Fries) hatte ihre stärksten Momente im Höllenbild,  das mit leichtem Augenzwinkern in seiner revuehaften Anmutung mit Lack-Frack und Zylinder eher an eine sündige rote Laster-Höhle denn an Furien und Dämonen denken ließ.  Die seligen Geister erinnerten in ihren weißen Kitteln und Hosen dagegen eher an Krankenhaus und Psychiatrie, statt an elysische Gefilde. 
Recht aufwändig, wie man es selbst an großen Häusern nicht allzu oft sieht, die Einbeziehung des Balletts. Nicht nur integriert in die Gesangsszenen, sondern mit eigenständigen Tanz-Einlagen (Dan Pelleg)  bedacht, konnte sich das Ballett groß darstellen.
Die musikalische Seite präsentierte sich engagiert und dynamisch. Der Chor (Manuel Pujol) hatte Stimmkraft und Volumen,  jedoch auch eine gewisse Unausgeglichenheit  in den einzelnen Stimmen. Die eher kammermusikalisch besetzte Neue Lausitzer Philharmonie  unter der Leitung von Mark Rohde spielte sehr differenziert und war den Sängern eine zuverlässige Begleitung,  doch ist das Verhältnis von Streichern zu Bläsern noch verbesserungswürdig. So hatten vor allem die hohen Streicher einen dünnen, scharfen  Klang,  die Holzbläser dagegen einen warmen, runden Ton.  In dem  eigentlich pausenlos gegebenen Stück mit weitgehendem Einheitsbühnenbild gab es dennoch sich länger anfühlende Aktpausen, in denen man  zweimal durch eine Orchester-Kakophonie aufgeschreckt wurde, als die Musiker meinten, vor dem weiteren Spielen ihre Instrumente neu stimmen zu müssen, während selbst große Symphonien heutzutage meist  ohne zwischenzeitliches Stimmen durchgespielt werden.    
Das Publikum, in dem die Alten unter sich waren,  war von der Aufführung sehr angetan und spendete allen Beteiligten großen Beifall. Patricia Bänsch als Orpheus durfte sich sogar über einige Bravo-Rufe freuen.

Axel Göritz  







 
Fotos: Marlies Kross