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Fakten zur Aufführung 

FÜRST PÜCKLER - ICH BIN EIN KIND DER PHANTASIE
(Enjott Schneider)
29. April 2006 (Uraufführung)

Theater Görlitz

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Unterhaltsames Musiktheater

Die Pücklerschen Parks in Muskau und Branitz in der Lausitz sind weithin bekannt und heute so sehenswert wie eh und je. Hermann von Pückler-Muskau (geb. 1785 auf Schloss Muskau, gest. 1871 auf Schloss Branitz) gab ihnen ihre wunderbare Gestalt, machten ihn als Gartenarchitekt berühmt. Er war überdies eine schillernde Persönlichkeit, Frauenheld, weitgereister Schriftsteller, skurril, Künstlernatur.

Enjott Schneider schuf jetzt als Auftragsoper des Theaters Görlitz seine Version dieses vielschichtigen Charakters. Unterhaltsames Musiktheater, das, angelegt als chronologischer Bilderbogen, dementsprechend also nicht als packendes Drama, sondern als Groteske entstand. Das Grundmaterial für den Stoff entnahmen die Librettisten Schneider, Bernd Matzkowski und Michael Walter den biografischen Daten Fürst Pücklers. Der hatte neben seiner Ehefrau Lucie, mit der er auch nach seiner Scheidung lebenslang zusammen blieb, zahlreiche Liebesabenteuer, kaufte auf einem ägyptischen Sklavenmarkt die vierzehnjährige Äthiopierin Machbuba, nahm sie mit in die Lausitz, wo sie bald starb. Er tröstete sich aber schnell über den Verlust hinweg und wandte sich einem neuen Projekt zu: Er baut den Branitzer Park auf. Lucie stirbt. Am Ende seines Lebens verfügt er testamentarisch, dass sein Leichnam in konzentrierter Schwefelsäure aufgelöst wird. Sein Herz wurde spezieller Behandlung unterzogen.

Schneider komponierte gut hörbare Musik, trotz geschickt verwendeter moderner Ausdruckstechniken wie etwa Glissandi, Flageolett, Vierteltöne. Er fasste die einzelnen Szenen in zwei Akte zusammen: Arkadien und Elysium. Der dokumentarisch rote Faden wurde durch Figuren der Commedia dell’arte theatergerecht aufgelockert. Einige Lichtbildprojektionen der Parks Muskau und Branitz machten die regionale Bedeutung und Ausmaß der Gartenbauleistung Pücklers deutlich. Puppenspielerszenen boten zusätzlich Poetisches.

Milos Krejci führte die Musiker der Neuen Lausitzer Philharmonie mit Verve durch die Partitur.

Darstellerisch ausdrucksstark, stimmlich souverän, kraftvoll, nuancenreich, gestaltete der Bariton Shin Taniguchi die Hauptrolle. Seine großartige Bühnenpräsenz hielt die farbenreiche Szenenfolge hauptsächlich zusammen. Mi-Seon Kim in der Rolle der Machbuba übermittelte wunderbare Intensität in Stimme und Gestaltung. Yvonne Reich beeindruckte als Lucie. Anja Meyer (Helmine) und Patricia Bänsch (Adelheid) bot die Vorlage wenig Möglichkeit, mehr von sich zu zeigen. Besser erging es da Alexander Pinderak, Frank Ernst und Stefan Bley, die jeweils in mehreren Nebenrollen glänzten. Der Chor bewährte sich in vitalen Volksszenen. Die Textverständlichkeit aller Sänger war durchweg hervorragend. Dennoch befremdete, dass es nur Übertitelung in polnischer Sprache gab, ist es doch heute üblich, sogar in Deutsch gesungenen Opern die Übertitel in deutscher Sprache anzubieten.

Regisseur Aron Stiehl erreichte mit einer soliden Inszenierung bestmögliche Wirkung. Dem Publikum gefiel es. Das Görlitzer Theater, seit zwei Jahren original barock restauriert und wieder im prachtvollen ursprünglichen Zustand des Zuschauerraums, hat mit dieser Produktion Mut bewiesen, hat wieder gezeigt, dass die Stadt an der Neiße eine Reise wert ist. Für zukünftige Auftragswerke in Sachen Persönlichkeiten der Region sollte man vielleicht bedenken, dass nicht jeder vielschichtig skurrile Charakterkopf genügend Substanz für große Oper abgibt. Doch auch kleines, aber feines Musiktheater, gestaltet durch engagierte Protagonisten, hat unbedingt seine Daseinsberechtigung – zumal, wenn es dem Zuschauer gefällt. (gh)


Fotos: © Karen Stuke