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Fakten zur Aufführung 

SING FÜR MICH, TOD
(Claude Vivier/Albert Ostermaier)
6. September 2009
(Uraufführung: 5. September 2009)

Maschinenhalle Zeche Zweckel Gladbeck
RuhrTriennale


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Lyrik in Moll

Claude Vivier, kanadischer Komponist (1948 bis 1983), entwickelte Musik, die sich thematisch um seine Obsessionen, Hoffnungen, Frustrationen, seelischen Konflikte bewegt. Er nutzt tradierte Formen der Komposition, besteht auf perfektem „Handwerk“, integriert serielle Techniken, arrangiert im Sinne musikalisch-„harmonischer“ Konvention. Leidend an seinem nicht erreichten Selbstanspruch, bestimmt durch sehr eigene Religiosität stirbt er einen gewaltsamen Tod.
Albert Ostermaier imaginiert zu Musik und Gesang dieses „Leidensmanns“ reflektierend-elegische Texte – Lyrik in Moll, Wort-Konstruktionen von thematischer Assoziations-Nähe.
David Hermanns Inszenierung bezieht das postindustrielle Ambiente der Maschinenhalle Zweckel ein, nutzt die Räume zu verlorenem Spiel, setzt auf zeichenhafte Metaphorik, löst Verschlüsselungen durch konkretes Agieren auf.
Christof Hetzer stellt auf die rot-weißen Fliesen der Industriearchitektur eine Bushaltestelle, einen Müllcontainer mit Müllsäcken, versetzt das Orchester in einen seitlich versetzten Raum auf halber Höhe, abgeschottet durch eine „arbeitende“ Lamellenwand - schafft auf der riesigen Fläche Beziehungen zu den anschließenden geheimnisvollen Räumen: Kammern psychischer Hermetik.
Christoph Poppen gelingt mit dem Streichorchester der musikFabrik ein nachhaltiger Klang, betont die Spezifika des differenzierten Spiels der Streicher, setzt Pauke und Röhrenglocken kommunikativ-akzentuierend ein, begleitet die Gesangstimmen mit stimulierender Intensität.
Stefan Kurt spricht, rezitiert, intoniert die Sprechtexte mit beeindruckender Modulation, so wie Sam Louwyck das alter ego stimmlich umsetzt. Caroline Melzers Sopran gibt der Frau eindringlichen Nachdruck, so wie Maria Riccarda Wesseling nicht nur darstellerisch als alte Frau überzeugt und ihren dramatischen Mezzo effektiv einsetzt. Der Kammerchor der Chorakademie Dortmund nutzt die Passagen zur Demonstration sensibel abgestimmten kollektiven Singens.
Auf der Zuschauertribüne verfolgt ein diszipliniertes Publikum Handlung, Musik, Gesang und Schauspiel mit bewundernswerter Konzentration. Die Thematik berührt, die Vivier-Musik erregt Aufmerksamkeit, Ostermaiers Texte tippen an menschliche Grund-Empfindungen - doch eigentümlicherweise will sich bei aller ästhetischer Konsistenz kein „Sog“ in die immanente Dramatik einstellen: Zu wenig „geheimnisvoll“ ist das Geschehen, zu offenkundig ist die Dramaturgie, zu schlicht die Ostermaier-Lyrik. Respektvoller Applaus, aber kein Enthusiasmus. Die RuhrTriennale präsentiert ein Kunst-Werk, intellektuell schlüssig konstruiert, eine Begegnung mit der hörbaren Musik eines an sich selbst gescheiterten Komponisten – Vermittelt aber nicht die Magie der „Creationen“ wie Sentimenti oder Wolf in der Mortier-Triennale.

Franz R. Stuke

 








 
Fotos: © Paul Leclaire