Skurril
Das innovationsfreudige Gießener Theater bringt ein vergessenes Werk der „französischen Romantik“ in die Öffentlichkeit – ein Stück von 1831, das mit seiner naiven Mystik sizilianischer Geschlechterkämpfe ein Kaleidoskop geheimnisvollen Geschehens vermittelt. Das sich narrativ anno 2005 kaum erschließt. Doch die Musik des vergessenen Hérold bietet romantische Klänge par excellence, die nicht nur als nostalgisches Rauschen wahrgenommen werden will: Nähe zu Weber, zum frühen Verdi (!), aber auch zu elektrisierenden Berlioz-Attitüden wird spannend hörbar. Doch in der Gießener Ausgrabung bleiben Fragen offen:
Das Philharmonische Orchester Gießen kommt unter Herbert Gietzen nicht in Schwung, intoniert relativ emotionslos historische Musik.
Eine indifferente Regie des ansonsten so kreativen Helmut Polixa macht den Fauxpas, als selbstverliebter „Erzähler“ den imaginativen Fluss der Geschichte mit eitler Attitüde selbst zu zerreißen. Als Ergebnis des Skurrilen bleibt: ein Dokument der Operngeschichte wird als kurios denunziert, ohne eine neue Sicht auf die musikhistorische Trouvaille zu gewinnen. Schade, ärgerlich und ein Dokument unangemessener Arroganz.
German Villar gibt Zampa, dem Korsar (eine Verdi-Parallele) intensive Tenor-Statur; Gesa Hoppe vermittelt mit lyrisch-dramatischem Sopran intensive romantische Klänge, so wie David-Erich Fankhauser dem „urbösen“ Alphonse kraftvoll-ambivalenten Charakter verleiht. Das Gießener Ensemble glänzt mit schönen Stimmen, demonstriert den Klangreichtum Hérolds, wird aber von der (s.o.) Regie als „Nummern“ offenbar bewusst allein gelassen.
Das wunderbar interessierte Gießener Publikum im authentischen Jugendstil-Theater ist vom Gehörten angetan; doch monieren kritische Stimmen den mangelnden Respekt vor dem präsentierten Werk. (frs)
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