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Fakten zur Aufführung 

WALLENSTEIN
(Jaromir Weinberger)
23. Oktober 2009 (Premiere)

Bühnen der Stadt Gera


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Schiller kompakt

Jaromir Weinberger – 1896 in Prag geborener Jude, bekannt durch Schwanda der Dudelsackpfeifer (1927), lebte in Wien, flüchtete vor dem Nazismus 1938 nach Amerika, fand eine neue Heimat in St. Petersburg ab 1956, nahm sich 1967 das Leben. Sein Wallenstein nach Schillers Drama und dem deutschen Text von Max Brod wurde 1937 an der Staatsoper Wien uraufgeführt, verschwand dann von den Spielplänen. Die Oper Altenburg-Gera bemühte sich akribisch um die Wiederbelebung des Zeit-Dokuments und entwickelte ein bemerkenswertes theatrales Konzept.

Thomas Gruber stellt einen nahezu hermetischen Raum auf den mit Wasser gefluteten Boden, mit schießscharten-artigen Türen, einer hebbaren Fläche mit Tischen und Stühlen – im entscheidenden letzten Akt eine von bedrohlich-einengenden Säulen besetzte Szene. Die Bühne als überzeugende „Metapher“ für die inneren Kämpfe des zerrissenen Wallenstein.

Matthias Oldag setzt ganz auf diese innere Dramatik, orientiert sich konsequent an der Schillerschen Sichtweise, deutet die Unbarmherzigkeit des Dreißigjährigen Krieges nur an, konzentriert sich auf einen Wallenstein zwischen Loyalität und Verrat, zwischen egozentrischem Machtwillen und Verantwortung - Pappenheimer, Offiziere, Frauen kreisen um dieses im Innersten desolate Machtzentrum. Es entsteht ein nachdenkenswertes Spiel um den Egomanen, dessen Charakterbild in der Geschichte schwankt - Mit-Leiden mit den Betroffenen ist nicht angesagt.

Das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera interpretiert die spätromantischen Weinberger-Vorgaben in kontrollierter Präzision; Jens Troester leitet konzentriert zu überzeugendem Zusammenspiel, sorgt für perfekte Abstimmung mit der Bühne, akzentuiert die interpretierenden Nuancen von Tempi und Dynamik, feiert geradezu den strukturierenden Pappenheimer-Marsch als animierendes Element mit hinreißender Bravour. Die präsentierte ausdrucksstarke Musikalität kann allerdings nicht darüber hinweg helfen, dass Weinbergers Musik der entscheidende Funke an Leidenschaft verpasst - angenehm hörbar, aber ohne den genialen Duktus, den unwiderstehlichen Sog von Melodik, Kontrasten und Rhythmen.

Teruhiko Komori ist ein fast kontemplativer Wallenstein, gibt einen fast grüblerischen Charakter, lässt Brutalität und gnadenlose Herrschsucht ahnen, aber nicht zu bestimmendem Ausdruck werden. Stimmlich ist er auf dies Rollenbild fixiert, singt eher zurückgenommen, vermeidet brachiale Ausbrüche, überzeugt mit seinem intensiv-bewegenden Timbre. Nico Wouterse steht für einen skrupellos-kaisertreuen Piccolomini, beeindruckt mit souveräner Stimmführung. Vincent Wolfsteiner singt einen emotional bestimmten Max mit klarem Ausdruck. Franziska Rauch verleiht der entsagenden Thekla ausdrucksvollen Klang, artikuliert klangschön und bewältigt die geforderten Schwierigkeiten mit Bravour! Kai Wefers Kapuziner bringt die Leidenschaft eines kompromisslosen Mönchs ins Geschehen; Elvira Dreßen verleiht der Gräfin Terzky dramatisches Gewicht - und die vielen Rollen werden mit parlando-kompetenten Mitgliedern des Gera-Altenburger Ensembles kompetent vertreten, lassen ihre stimmlichen Möglichkeiten deutlich werden. Der Chor (Nikolaus Müller) singt in Habt-Acht-Stellung kollektiv perfekt, wirkt aber in den Bewegungs-Szenen reichlich unbeholfen.

Das Theater Gera attrahiert viele auswärtige Besucher: das mutige „Ausgraben“ einer vergessenen Oper stößt auf internationales Interesse. Und das einheimische Publikum ist einigermaßen stolz auf das Renommee seines Hauses – und die beachtenswürdige Qualität der Aufführung. Große Begeisterung – und Vermittlung der positiven Eindrücke an Freunde und Bekannte. Weinbergers Wallenstein wird in Gera zum Erfolg - möglicherweise auch an weiteren Häusern.

Franz R. Stuke

 




 
Fotos: Theater Gera