In den Ruinen von Tara
Frauen, die gebrochenen Herzens auf ihre lieblosen Verführer warten und nicht nur im Kampf mit der Zeit keine Chance haben.
Gian Carlo Menottis Libretto ist voller Anspielungen an Strindbergs oder Ingmar Bergmans Frauenbilder, die Musik Samuel Barbers (1958) schwelgt geradezu in Verweisen auf Puccini, Richard Strauss und Korngold, bleibt im wesentlichen der Spätromantik verpflichtet und verzichtet auf atonale Impulse oder Jazz-Passagen.
Matthias Oldag inszeniert ein grausames anachronistisches Spiel in einer amerikanischen Welt europäisch empfundener Lieblosigkeit – in den Ruinen ehemaliger Pracht.
Thomas Grubers großer düsterer Raum erinnert an die untergehende Halle von Tara in der filmischen Saga „Vom Winde verweht“ – wie der gesamte Abend eine hommage an das amerikanische Film-Melodram a la Donald Sirk ist!
Sabine Paßow verleiht der getäuscht-revisionsgläubigen Vanessa glaubwürdige Ambivalenz, gibt der verstörten Frauen-Figur eine stimmliche Statur mit einer emotionalisierenden Fülle sängerischer Varianten – leidend in der gefühlvollen Mittellage, dramatisch in den Höhen. Franziska Rauch beeindruckt als verführt-verzweifelte Erika, Ilona Streitberger gibt den resignierten Erfahrungen der alten Baronin angemessene Stimme, und Teruhiko Komori gibt dem „alten Doktor“ ungemein mitfühlenden Klang! Mathias Schulz verkörpert einen unnahbar-gefühlskalten Anatol, Teil eines übersinnlichen Szenarios mit distanzierter Artikulation.
Das Philharmonische Orchester des Theaters Altenburg-Gera übernimmt die eklektischen musikalischen Angebote unter dem agilen Eric Solen mit hoher Sensibilität: die Ambivalenz mysteriösen Geschehens und seelischen Leidens wird emotional-bewegend hörbar, Barbers Gratwanderung europäischer Musik-Tradition wird zur musikalischen Interpretation mysteriös bedingter Gefühle.
Das Publikum Geras liebt seine – gerade bravourös restaurierte – Kleine Semper-Oper, füllt das wunderschöne, atmosphärisch dichte Haus bis auf den letzten Platz, folgt gespannt, und spendet herzlich-dankbaren Applaus. In Gera lebt die vertrauensvolle Liebe zum Musiktheater! (frs)
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