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Fakten zur Aufführung 

DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR
(Otto Nicolai)
17. April 2010 (Premiere)

Musiktheater im Revier Gelsenkirchen


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Modern gemeint

David Hermann ist ehrlich bemüht. Gemeinsam mit Christof Hetzer (Bühne) und Cristina Nyffeler (Kostüme) tut der Regisseur alles, um Otto Nicolais Lustige Weiber von Windsor vom Staub der Geschichte zu befreien. Und was dem Regieteam nicht alles einfällt! Da wird Falstaff als Fantasie eines frustrierten Ehepaares gedeutet und der analysierende Psychiater samt seiner Couch gleich mit auf die Bühne gestellt. Da wird das bürgerliche Kleinstadtleben hoch genommen, mitsamt Müll trennendem und Auto polierendem Ehemann, da wird die Liebesszene der Tochter ins Schwimmbad verlegt (Oral-Sex in der Duschkabine inklusive) und da tanzen die Geister in einem Wald voller Pilze. Natürlich fehlen auch die obligaten Mobiltelefone nicht, ohne die heute keine modern gemeinte Inszenierung meint auskommen zu können. Und trotz all der Gags, von denen einige sicher entbehrlich waren, haftet dem Opernabend am Ende der Charme einer nach Mottenkugeln riechenden Brokatweste an.

Und das liegt nicht daran, dass Hermanns Konzept im dritten Akt nur bedingt aufgeht - wenn der geträumte Falstaff auf einmal zu fleischliche Züge annimmt. Der Grund liegt vielmehr in der absolut biedermeierlichen Betulichkeit des Librettos, das jede Doppelbödigkeit, Ironie und Tiefe meidet und lediglich zur schenkelklopfenden Komödie taugt. Das mag Anno 1849 lustig gewesen sein, ist heute aber allenfalls ermüdend, zumal auch die Länge des Stückes erfahrbar wird. Zudem sind Otto Nicolais musikalische Ideen durchaus begrenzt.

Nicolais Partitur wird von Johannes Klumpp, der die Neue Philharmonie Westfalen leitet, glücklicherweise vorwärtsdrängend interpretiert. Dabei machen sich - angesichts der nach der Renovierung des Gelsenkirchener Hauses deutlich verbesserten Akustik - aber auch Ecken, Kanten und Laufmaschen im Orchesterklang bemerkbar.

Gesungen wird auf recht hohem Niveau und einhellig gut. Das gilt für Michael Tews als Falstaff, der seinem runden und mächtigen Bass viel Kontur gibt; das gilt für Petra Schmidt und Anna Agathonos. Ihre lustigen Weiber Fluth und Reich mischen sich gerade in den Duetten perfekt. Joachim G. Maaß ist ein sonorer Herr Reich, während Piotr Prochera (Herr Fluth) seinen edlen Bariton ebenmäßig und volltönend verströmt. Mit Prochera hat das Gelsenkirchener Ensemble mal wieder ein großes Talent in seinen Reihen. Das trifft auch auf Alfia Kamalova zu, die als Jungfer Anna Reich ihre Koloraturen mit Kern, Kraft und Leichtigkeit beherrscht. Ihr sekundiert zuverlässig Lars-Oliver Rühl als verliebter Fenton. Auch seine Rivalen Dong-Won Seo, mit (gewollt) französischem Akzent den Cajus gebend, und E. Mark Murphy als Muttersöhnchen Spärlich überzeugen ebenso wie Uwe Schönbeck als Psychiater in Bedrängnis.

Dem Publikum gefiel der ebenso moderne wie antiquierte Abend - und so gab’s reichlich Applaus.

Thomas Hilgemeier

P.S.: Giuseppe Verdi schrieb kein halbes Jahrhundert später seine „Lustigen Weiber“ namens Falstaff - derzeit zu erleben in der Oper Dortmund. Die Möglichkeit, Nicolai und Verdi parallel sehen und hören zu können, in räumlicher wie zeitlicher Nachbarschaft – auch das macht die Kulturhauptstadt 2010 aus!

 








 
Fotos: Pedro Malinowski