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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
15. Oktober 2007 (konzertant)

Musiktheater im Revier


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Intime Intensität

Heiko Mathias Förster ist der neue GMD der Neuen Philharmonie Westfalen - seit seiner Zeit als Chef der Münchner Symphoniker ausgewiesener Wagner-Dirigent.

In Gelsenkirchen steht der erste Akt der Walküre konzertant auf dem Programm. Und was Förster mit dem 128köpfigen Klangkörper gelingt, verdient das Etikett „sensationell“!

Keine schwüle Stimmung – dafür differenzierte Streicherklänge, luzide und fast intim. Kein hohles Pathos – dafür strukturierte Instrumenten-Intonation. Kein schwelgender Klangrausch – dafür intensiv-assoziationsreiche Kommunikation der Instrumente. Förster dirigiert kreativ und kommunikativ, bemüht sich um die Musiker, animiert und korrigiert mit behutsamen Gesten, verzichtet auf jegliche Maestro-Show.

Das eingeladene Sänger-Trio übernimmt diese orchestralen Vorgaben mit hörbarer Lust am wortgetreuen, emotionalen Singen. Peter Klaveness macht mit seinem kernig-flexiblem Bass den durchaus zwiespältigen Charakter Hundings deutlich. Janice Dixon gelingt eine Sieglinde mit deren aufgewühlten Gefühlen: hilfsbereit, erniedrigt, zärtlich, leidenschaftlich – stimmlich in allen Nuancen makellos! Trotz angekündigter Indisposition – und großem Wasserverbrauch – ist Ralf Willershäusers Siegmund ein ultimatives Beispiel für intensiven Wagner-Gesang ohne auftrumpfenden heldentenoralen Aplomb; grandios seine Wälse-Rufe, geradezu innig seine Winterstürme -- durch ein faszinierendes Legato vermeidet er jegliche unmotivierten Ausbrüche.

Zuvor standen Pfitzners „Käthchen von Heilbronn“ und Siegfried Wagners Ouvertüre zur „Heiligen Linde“ auf dem Programm.

Siegfried Wagner ist sicherlich – bei allen Verdiensten Pachls – ein immer noch zu entdeckender Komponist: In der Ouvertüre zeigt er sich auf der Höhe der Nach-Romantik, ist kein Epigone, sondern kenntnisreicher Zeitgenosse der Musik der 20er Jahre.

Zauberhafte Klangschönheit ist gepaart mit intensiver musikalischer Kommunikation. Förster interpretiert diese Vorgaben mit der Neuen Philharmonie Westfalen sehr einfühlsam, verzichtet nicht auf die immanenten emotional-anrührenden Effekte.

Pfitzners Stück wird als spätromantisches Werk präsentiert – Blech und Holz bestimmen den Klang, die so oft von Pfitzner-Apologeten beschworenen „Hintergründigkeiten“ sind wohl nur mit den entsprechenden Vorurteilen zu hören.

Dass Pfitzner im Programmheft als skurriler „Querkopf“ dargestellt wird, ist allerdings eine Geschichtsklitterung: Dieser Komponist war eben nicht nur ein „Nationalist“ und Anhänger der deutschen Musiktradition von Weber bis Wagner: Er war ein bekennender Nationalsozialist, aus Überzeugung verbunden mit dem Regime (anders als Strauss oder Furtwängler), Denunziant schon in den 20er Jahren und – auch in der Nachkriegszeit – unbelehrbar.

Da müssen die Bewahrer und Wiederbeleber der Pfitzner-Musik schon viel Rhetorik bemühen, um die Musik vom Gedankengut seines Schöpfers zu distanzieren.

Das Gelsenkirchener Publikum diskutiert diese Problematik in der Pause mit großem Ernst. Der Beifall für die Walküre ist enthusiastisch. Gelsenkirchen als neue Hochburg eines aktuellen Wagner-Erlebens? Das ist keine unangemessene Hoffnung! (frs)