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Weltreligionen
Amfortas der Dalai-Lama, Titurel ein Patriarch der Ostkirche, Gurnemanz
der christliche Gralsritter? Und Parsifal vielleicht derjenige, der als
Heilsbringer aller Religionen erscheint? Die Figuren in Rosamund Gilmores
Inszenierung lassen sicher solche Assoziationen vermuten. Doch wurde dabei
nicht etwas zuviel in Wagners Parsifal-Text hinein interpretiert? Und
vor allem: Wo bleibt die plausible Umsetzung auf der Bühne? Was man in
Gelsenkirchen zu sehen bekam, waren zwar einzelne Szenen von intensiver
Ausdruckskraft, doch den roten Faden, der die drei Akte sinnvoll miteinander
verbinden sollte, suchte man vergebens. Gelungen hingegen: Die durchgehende
Kommentierung des Geschehens durch auf der Bühne agierende Tänzerinnen
(Sandra Lommerzheim, Christina Menne, Cècile Rouverot).
Carl Friedrich Oberle (Bühne) hat das Geschehen im ersten und dritten
Akt in eine spanische Klosterschule verlegt. Zentrales Element ist hierbei
eine kleine Bühne, die vor allem im zweiten Akt in Klingsors Zauberschloss
eine wichtige Rolle einnimmt: Die bunte Glamourwelt mit Kundry als Show-Diva
als Symbol der Verführung.
Wer nicht in der Lage war, die zahlreich aufgeworfenen Fragen der Inszenierung
für sich zu beantworten (und das dürften nur die wenigsten gewesen sein),
konnte sich immerhin auf die musikalische Umsetzung verlassen, die auf
höchstem Niveau stattfand. Die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung
von Samuel Bächli interpretierte Wagners Partitur mit der nötigen Differenziertheit
und Transparenz. Bis auf einige wenige Unsauberkeiten bei den Bläsereinsätzen
eine meisterhafte Vorstellung.
Noch höher zu bewerten aber ist die Leistung des Ensembles. Fangen wir
an bei Burkhard Fritz' Parsifal, dessen tenorale Kraft man schlicht und
einfach als herausragend (!) bezeichnen muss. Rainer Zaun gibt einen unglaublich
präsenten Gurnemanz und wird dieser tragenden Rolle mehr als gerecht.
Kraftvoll: Jee-Hyun Kims Amfortas, dessen sprachliche Artikulationsschwächen
glücklicherweise durch die Übertitelung nicht ins Gewicht fallen. Bei
Richetta Manager begeistert nicht nur die Ausdrucksstärke ihrer Stimme,
sondern auch die Tatsache, dass sie ihre Rolle mit viel Leidenschaft verkörpert.
Nicolai Karnolsky (Titurel) und Nikolai Miassojedov (Klingsor) bewegen
sich auf gleichwertig hohem Niveau.
Das Publikum feierte Musiker und Ensemble. Aber: Es gab keine Standing
ovations. Und: Die zahlreichen Buh-Rufe für das Regie-Team waren nicht
zu überhören. (cd) |
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