Normal Life
Es ist schon klar: die beschauliche Welt der schnuckeligen Zuhälter, Drogendealer, Nutten und Junkies mit ihren unbegriffenen Lebensphilosophien ist ein Spiegelbild des normal life – aber nur des american way of life und bei uns auch wohl nur ein Musical, das mit Freude an high heels, swingend-dröhnender Musik und rock-röhrendem Gesang begeisterte Fans findet.
Im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier steht Cy Colemans „The Life“ auf dem Programm – genregerecht in Perfektion, wie man es von der Musical-Insel kennt.
Hochhausfassaden, private rooms, Bars und Showtreppe (attraktive Bühne: Mathias Fischer-Dieskau) schaffen die sympathisch-versiffte New York-Atmosphäre.
Dick Tops Regie nutzt alle Ingredientien des Genres: turbulente Chorus Line, laszive Gesten, Show-Einlagen, komische Figuren, liebevolles tête à tête, hektisches Hin und Her, pseudo-nachdenkliches Versammeln – alles im perfekten Dienst der schwierig-schönen Illusion.
Brillant das Gelsenkirchener Ensemble: Sexy Typen mit grandiosen Stimmen (nun ja: amplifiziert). Anke Sieloff als Queen mit intensivstem Rocksound, Richetta Manager als Sonja mit phantastischem Soul, Lemuel Pitts im Stil eines authentischen Musicalstars à la Broadway ebenso wie Gaines Hall, Leah Gordon, Nyle P. Wolfe und und und – alle sind sie großartig, vermitteln Tempo, authentischen Sound und viel american way of life.
Kongenial die 17-köpfige Band. Kai Tietje hat das bewundernswerte Vermögen, einen permanent intensiven Klang zu erzeugen, der Rock, Swing, Soul zu vibrierender Lebendigkeit bringt. Nicht zu vergessen: Norbert Labuddas perfektes Sounddesign!
Gemischt das musical-gewöhnte Publikum im Musiktheater im Revier: einigermaßen zurückhaltende Beobachter von sight and sound, dagegen jubelnde Begeisterung für fetzige Bilder und Töne. Die außerordentliche Kompetenz der Musical-Spezialisten in Gelsenkirchen feiert Triumphe. Und der Rezensent? „He did what he did“ – und hat genügend Eindrücke gesammelt, um seine Vorurteile gegenüber der eigentümlich-selbstsicheren amerikanischen Weltsicht aufzuladen. (frs)
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