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Fakten zur Aufführung 

L'INCORONAZIONE DI POPPEA
(Claudio Monteverdi)
13. März 2008
(Premiere: 9. März 2008)

MiR Gelsenkirchen


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Kontemplation

Wochenlang haben sich Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Altersstufen und Fächer des Ratsgymnasiums Gladbeck mit Monteverdis Oper auseinandergesetzt. Im offenen Foyer des Musiktheaters im Revier stellen sie ihre Ergebnisse vor – bildende Kunst, musikalische Arbeiten, theologisch-philosophische Auseinandersetzungen -- und sind anschließend hoch motivierte und kenntnisreiche Zuschauer der folgenden Aufführung. So sieht nachhaltige „Musiktheater-Pädagogik“ aus!

Samuel Bächlis souveränes musikalisches Konzept bestimmt den Abend. Er wählt eine Kammermusikgruppe mit originalen barocken und modernen Instrumenten, weist ihnen die Begleitung entweder der Gefühle der „Hochgestellten“ oder der existenziellen Überlegungen der „Niederen“ zu; entsprechend wird auf Italienisch oder Deutsch gesungen.

Bettina Lells Regie (nach Andreas Baesler) entwickelt – dem kammermusikalischen Duktus folgend – ein sich langsam kontemplativ steigerndes Drama archetypischer menschlicher Probleme. Liebe, Glück und Tugend -- und ihre Gegenpole! -- entwickeln sich fast behutsam angedeutet, lassen Raum zum Nachdenken, und werden nicht als radikale Positionen zum dramatischen Spektakel. Die Philosophie des großen Stoikers Seneca bestimmt die Szene.

Susanne Hubrich steckt die Figuren in wechselnd antike, barocke und moderne Kostüme, verweist auf die gültigen historischen Dimensionen von Macht und sozialer Unterdrückung. Monumentale, ineinandergreifende Wände im Serra-Stil mit kreisförmigen und diagonalen Ausschnitten auf der effektvoll eingesetzten Drehbühne (sehr konzentriert gebaut von Eckhard-Felix Wegenast) schaffen mit Neon-Röhren und filigranem Licht die handlungsorientierten Spiel-Räume.

Das Gelsenkirchener Ensemble agiert und singt der reflektierten Konzeption entsprechend: Claudia Braun ist eine kühl kalkulierende Poppea mit differenziert eingesetzten Registerwechseln; Anke Sieloff gibt den bedenkenlosen Nero betont „burschikos“ und beweist wieder einmal ihre außerordentliche stimmliche Wandlungsfähigkeit; Noriko Ogawa-Yatake ist eine verhalten-tragische Ottavia mit emotionalem Timbre; Matthias Lucht vermittelt mit seinem weich-geschmeidigen Altus einen tugendhaft-leidenden Ottone; Christian Helmers Seneca ist der auch stimmlich konstant artikulierende Stoiker – beeindruckend als prinzipienfester Philosoph der Tugend, nicht der „schicke“ arbiter elegantiarum; Leah Gordon überzeugt als affektive Drusilla, und William Saetre nutzt die Rolle der Amme Arnaita zu einer geglückten Charakterstudie.

Das Publikum (s.o.) folgt den Vorgängen gespannt, wird mit der hochgradig abstrahierten Handlung und der elaborierten Musik fertig – und reagiert mit nachdenklichem Applaus. Oper als inszenierte Philosophie – das ist nicht alltäglich! (frs)

 

 
Foto: MiR Gelsenkirchen