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Fakten zur Aufführung 

GLORIANA
(Benjamin Britten)
6. Juni 2010
(Premiere: 29. Mai 2010)

Musiktheater im Revier Gelsenkirchen


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Macht und Herrschaft

Sie ist das Aschenputtel unter den Opern Benjamin Brittens: Gloriana, entstanden zur Krönung Elizabeths II. im Jahr 1953. Doch es bedarf eigentlich keines Wassers und keiner Seife, um die strahlende Schönheit zu Tage zu fördern, die unter Asche und Schmutz verborgen ist. Es bedarf nur einer so ideenreich wie gekonnt arbeitenden Regisseurin wie Elisabeth Stöppler und eines umsichtigen Dirigenten wie Rasmus Baumann.

Stöppler inszeniert die Geschichte der unglücklichen Liebe der machtbewussten, alternden Elizabeth I., indem sie die inneren Konflikte der Königin aufzeigt. In Gelsenkirchen ist Elisabeth eine moderne Herrscherin, die hin und her gerissen ist zwischen der Ratio und ihrer Altersliebe. Stöppler verdeutlicht das, indem sie der Regentin ein stummes Alter Ego in historischer Kleidung gegenüberstellt: die gnadenlos absolut herrschende Renaissance-Königin Elizabeth, die nur sich selbst gegenüber verantwortlich ist. Diesen Teil ihres Charakters lernt die Elizabeth der Jetztzeit zu akzeptieren und die Macht anzunehmen, auch wenn ihr persönlich Unrecht geschieht – auch wenn sie am Gegensatz zwischen Privatem und Öffentlichem zu zerbrechen droht. Am Ende lässt sie sich die Haare abschneiden und ist nur noch Herrscherin und nicht mehr Frau.

Einfach frappierend, wie es Stöppler und besonders auch Ausstatterin Kathrin-Susann Brose gelingt, gerade in den beiden eher handlungsarmen ersten Akten ihr Publikum zu fesseln. Die Drehbühne schafft immer wieder neue Orte: Ein überdimensionaler Buchsbaum lässt einen Barockgarten entstehen, ein nüchterner ovaler Tisch eine Kabinettsatmosphäre wie bei Angela Merkel und ein Majordomus mit Stab den barocken Hof. Das ist alles absolut gekonnt wie auch die ausgefeilte Personenführung und das perfekt choreografierte Fest bei Hofe (Kristin Schaw Minges).

Und dann sind da noch diese zutiefst berückenden Bilder: das traumhafte Tanzpaar, das Elizabeth und Essex während des barocken Maskenspiels so intensiv verkörpern; und der Coup zum Schluss: Die Königin unterschreibt nicht nur das Todesurteil, sondern erdolcht Essex auf offener Bühne. Intensiver, eindringlicher hätte man wohl nicht in den Kern von Brittens Oper vordringen können.

In diesen Kern drang aber auch die an diesem Abend großartige Neue Philharmonie Westfalen. Rasmus Baumann am Pult gelingt es, die suggestive Wirkung von Brittens Partitur voll zu entfalten. Diesen unnachahmlichen Mix von Bläserfanfaren, Lautenliedern, höfischen Tänzen, donnernden Chören und zarten Ensembles – da hört man viele Anklänge an die gute alte englische Tradition des 16. und 17. Jahrhunderts, doch es bleibt immer Musik von Benjamin Britten. Unglaublich farbig, spannend, abwechslungsreich, immer von größter Expressivität.

Majken Bjerno verkörpert Elizabeth mit großer Leidenschaft und nirgends versiegender Ausdrucksstärke, mit kernigem Ton und unverwechselbar breit ausschwingendem Tremolo. Den ungestümen Essex gibt Lars-Oliver Rühl sicher und mit großen Gefühlsausbrüchen. Blendend aufgelegt zeigt sich Piotr Prochera als Sir Robert Cecil, Minister des königlichen Rates. Das übrige Ensemble – Brittens Gloriana ist ein äußerst personalintensives Stück - füllte die mittleren und kleinen Rollen auf das Feinste aus – wobei mit Lee Poulis als Lord Mountjoy ein junges Talent aufhorchen ließ. Grandios auch der Chor, der Extrachor sowie der Gelsenkirchener Kinderchor (Christian Jeub und Alfred Schulze-Aulenkamp).

Das Publikum wurde von dieser wirklich außergewöhnlichen Produktion in den Bann gezogen und applaudierte begeistert.

Thomas Hilgemeier

 










 
Fotos: Pedro Malinowski