|
Faszinierend!
Faszinierend, was Bernard Arnould mit der hundert mal fünfzig Meter großen
Spielfläche anstellt; rasante Wechsel quirliger Massenszenen mit beinah
intimen Bildern (Regie: Gemma van Zeventer nach Bernard Broca); immer
wieder neue "Räume" - entweder durch Statisten durch Bauelemente oder
durch Fackeln und Licht (Lichtdesign: Simon Bills). "Carmen" auf Schalke
vor 34.000 Zuschauern mit 700 Mitwirkenden gerät natürlich zum rekordverdächtigen
Event - verrät jedoch niemals die Würde der Oper, interpretiert vielmehr
spektakulär das ausweglose Aufeinandertreffen von unstillbaren Sehnsüchten
nach Freiheit und Liebe mit dem Tod. Was keine Bühne bieten kann: show
down in der rosenübersäten Arena!
Gesungen wird auf höchstem Niveau: Hermine Mays Carmen - mit schwarzer
Lockenpracht die gesamte Spielfläche beherrschend - besticht durch einen
tiefgründigen Mezzo, der die emotionalen Farben der so avancierten Partie
expressiv herausschleudert. Mit Athea-Maria Papoulia ist eine stimmkräftige
Micaela zu hören und Johannes von Duisburgs Stentorstimme garantiert einen
typengerechten Escamillo. Bojidar Nikolovs Jose ist eine Sensation: in
Escheinung, Agieren und stimmlicher Präsenz von außerordentlicher Ausstrahlung,
dabei mit einer perfekten Intonation volle Präzision und vollem Volumen,
bombensicheren Höhen und leidenschaftlicher Italianita: man möchte den
Star öfter zu Gast an der Ruhr haben! Während die Solisten durch die Technik
bestens amplifiziert werden, macht das für die Chöre offenkundig Probleme:
aus der Riesenbox klingt es bisweilen wie aus einer zu weit aufgedrehten
Stereoanlage zu Hause.
Johannes Wildners Neue Philharmonie Westfalen mag diese Diffizilitäten
ebenfalls betreffen, doch ist die Elektroakustik nicht schuld am z.T.
holprigen Fluss der Tutti.
Das Publikum - z. T. weit angereist - verfolgt mit Spannung, vermittelt
niemals die Assoziation einer sensationsgeilen Masse, applaudiert reichlich
und verabschiedet die Solisten mit frenetischem Beifall. Die ständig foto-blitzenden
Idioten sind wohl der Anteil Asozialer, die man in dieser Gesellschaft,
wo auch immer, zu ertragen hat. (frs) |
|