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Fakten zur Aufführung 

LA CAGE AUX FOLLES
(Jerry Herman)
7. Dezember 2008
(Premiere: 22. November 2008)

Musiktheater im Revier Gelsenkirchen


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I am what I am

La Cage aux Folles – die Geschichte vom schwulen, exaltierten Travestie-Star, der auf den stockkonservativen Politiker Dindon trifft, die kennen die meisten. Zumindest in Form des bezaubernden, lyrischen Films mit den schrillen Momenten und dem hinreißenden Duo Ugo Tognazzi und Michel Serrault. Populär ist natürlich auch das schwungvolle Musical von Jerry Herman, das ebenso augenzwinkernd mit Vorurteilen spielt wie der Film. In Gelsenkirchens Musiktheater im Revier ist es jetzt in einer Regiearbeit von Peter Hailer zu erleben.
Pfiff gewinnt diese Produktion vor allem durch die perfekte, einfallsreiche Choreographie von James de Groot und Paul Kribbe. Dass die beiden absolute Experten auf dem Musical-Sektor sind, ist hinlänglich bekannt. Nebenan, in Essens Aalto-Theater, sorgen die beiden regelmäßig für absolut gelungenes, faszinierendes Bühnenspektakel. In Gelsenkirchen können sie auf Mitglieder des Balletts Schindowski setzen. Und mit diesen Profis brennen sie denn auch ein Bündel zündender Ideen ab – unterstützt durch die fantasievollen Kostüme von Andreas Meyer, der Batgirls und schrill singende Sissis auf die Bühne stellt.
Doch all dies spielt sich ab vor einem Bühnenbild, das eher mager ausfällt: ein fahler, blässlicher Hintergrund, schnödes Blaugrau. Für einen angeblich lasziven Nachtklub arg wenig, gänzlich ohne Möbel, Plüsch oder sonst etwas. Fast genauso langweilig die Wohnung, in der Zaza und Georges schon mehr als zwanzig Jahre ihres Lebens vertunteln. Dirk Becker, verantwortlich für die Bühne, hat offenbar wenig Vorstellungskraft, wie ein solches Etablissement im „richtigen Leben“ wohl aussehen könnte. Wie schade! Mit der Lupe muss man suchen, was an ach so schlimmen, anstößigen Accessoires weggeräumt werden muss, kurz bevor die reaktionären, als Schwulenhasser bekannten Schwiegereltern zur Inspektion anreisen.
Peter Hailer verpasst viele Chancen zu knalligem Show-Effekt, wie man ihn in diesem Stück erwartet únd wonach es geradezu schreit. Aber auch inhaltlich geht einiges daneben. Etwa die belebten Hafenszenen, in denen Zaza und Albin sich doch eigentlich als perfekt in die Nachbarschaft integriertes Schwulenpaar bewegen. Die verkommen hier zu zwei langweiligen Szenen an der Mole, denen sich ein stumm angelnder Petrijünger hinzugesellt.
Schauspielerisch wirken die Akteure oft etwas hölzern, werfen sich die komischen Bälle nicht immer mit Leichtigkeit zu. Dabei geben sie sängerisch ihr Bestes. Allen voran William Saetre, der sein Faible fürs Musical als schillernde Diva Zaza richtig ausleben kann: Sein - mit Verlaub: ihr „I am what I am“ und „The Best of Times“ gehört fraglos zu den mitreißendsten Momenten dieser Inszenierung. Auch Joachim G. Maaß als fürsorglicher „Gatte“ kommt gut rüber, während Piotr Prochera als „beider“ Sohn sich im Laufe des Abends zu steigern weiß. Ein hübsch anzusehender Junge!
Trefflich besetzt sind auch die kleinen Rollen: herauszuheben ist hier Wolf-Rüdiger Klimm als prüder Abgeordneter, vor allem aber auch Aljoscha Zinflou, der selbstverständlich „die Zofe“ Claudine sein will, nicht „der Butler“ Jacob!
Gelsenkirchens Opernchor singt mit Spaß, Freude und voller Bewegung. Toll ist der Kurzauftritt von Richetta Manager als Wirtin Jacqueline. Gloria Gaynors „I will survive“ aus ihre Kehle heizt die Stimmung kurzzeitig an. Dem gegenüber verströmt die „Showband“ in Form der Neuen Philharmonie Westfalen unter Bernhard Stengel eher rustikalen Esprit.
Das sehr gemischte Publikum – Alt und Jung gleichermaßen versammelt – applaudiert reichlich, aber lässt sich nicht von den Sitzen reißen.

Christoph Schulte im Walde

 








Fotos: Pedro Malinowski