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Fakten zur Aufführung 

BORIS GODUNOW
(Modest Mussorgskij)
7. April 2002 (Premiere)

Musiktheater im Revier
(Gelsenkirchen)

Points of Honor                      

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FLOP

Wenn die Geschichte nicht gefällt, die Zeit nicht, in der sie spielt, die Personen nicht und deren Beziehungen und schließlich die Inhalte nicht akzeptiert werden - dann, ja dann setzt der Prozess des Dekonstruierens ein: Ein bedeutungsvolles Werk wird in eine andere Bedeutung überführt, akribisch werden die Schichten des Werks offengelegt, auf ihre Relevanzen und Widersprüche überprüft und schlussendlich in "revidierter Fassung" realisiert. So sollte es sein. In Gelsenkirchen verfährt Gabriele Rech (und ihr Bühnenbildner Hermann Feuchter) viel schlichter: Da wird das "Werk" ignoriert, die Sängerdarsteller werden in beliebige Alltagsklamotten gesteckt, singen ihre Partien in einer Ikea-Kulisse und überlassen die ganze Profillosigkeit der Assoziationskraft des ratlosen Publikums. Ergebnis: Das MiR kann zum Wallfahrtsort für Operntheoretiker werden, denen die Differenz zwischen Destruktion und Dekonstruktion bislang verborgen geblieben ist.

Die Neue Philharmonie Westfalen intoniert dagegen unter dem kundigen Samuel Bächli einen exorbitanten Mussorgskij: intensiv in den kompositorischen Brüchen, mit allen nicht-geglätteten Härten, aber auch allen musikalischen Konventionen - eben die Originalversion des "Boris" ohne die Polen-Akte, ohne Rimski-Korsakows peinliche Eingriffe!

Nun leidet Nikolai Miassojedov zweifellos unter der verunglückten Regie, doch scheint ihm die enorme psychische Kraft des Boris abzugehen; keine tragische Überhöhung, wenig stimmliche Bezwingung. Und so geht es den hilflos alleingelassenen übrigen Ensemblemitgliedern: Burkhard Fritz als Grigorij, Eva Tamulenas als Amme und Wirtin (?), Fabrice Dalis als Schuiskij und Nicolai Karnolsky als Waarlam. Allein der nach langer Krankheit zurückgekehrte Mario Brell vermag dem "Gottesnarren" profilierten Charakter zu verleihen. Der Chor und der Kinderchor des Musiktheaters im Revier (!) machen deutlich: der "Boris" ist eine Choroper mit faszinierenden Kollektiven.

Das Gelsenkirchener Premierenpublikum harrt aus (nur ca. 30 verlassen das Haus zur Pause), beschränkt sich auf wenige höfliche Buhs für das Regieteam, agiert aber wie eine Solidaritätsversammlung zur Wiederherstellung ihres eigenständigen Hauses. Nach den unbefriedigenden Premieren von "Nabucco" und "Freischütz" gilt wohl das Prinzip "Die Hoffnung stirbt zuletzt!" (frs)