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Fakten zur Aufführung 

LA BOHEME
(Giacomo Puccini)
10. November 2007 (Premiere)

Musiktheater im Revier Gelsenkirchen


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Kaputte Typen

„Schon das Baby in der Wiege
trinkt Pils von Moritz Fiege!“

Zuhause, in der Mansarde gibt’s Hansa aus der Dose, im Cafe Momus, wenn andere zahlen, leistet man sich ein Qualitätsbier -- zudem ein würziges. Michael Schulz orientiert sich bei seiner Boheme an Henri Murgers Vorgaben, zeigt die Boheme in ihren unterschiedlichen Stadien – unernste Künstlerattitüde, übersteigertes Dominanzgehabe, larmoyantes Scheitern - rasch alternde kaputte Typen eben. Und Mimi tappt als nicht alterndes „Dornröschen“ in diesen allein selbstverliebten Zirkel, um glücklich zu sterben. Eine Geschichte von monumentaler Bedeutungslosigkeit, erkauft durch den Verzicht auf Sentiment und tiefere Bedeutung. „Würzig“ – in der Theatersprache: bewegend, anrührend – allein das oben genannte Fiege-Pils.

Bühnenbildnerin Kathrin-Susann Brose lässt’s beim Gewohnten: zwei Mansarden, eine „bourgeoise“ Häuserfront – „mit Zwischenraum hindurchzuschaun“ und um darumherum und daranvorbei zu gehen -- was denn auch enervierend oft geschieht.

Angeleitetes Spiel findet nur in Ansätzen statt, aber gesungen wird sehr konzentriert: Hrachuhi Bassenz gibt der Mimi weich schwebenden Klang, verzichtet auf die Mittel der Emotionalisierung, formt mit ihrem beweglichen Sopran den Charakter einer naiv-lebenslustigen „Grisette“. Fulvio Oberto präsentiert als junger und gealterter Adabei eine jugendlich-entwicklungsfähige Stimme, der es noch an Volumen fehlt, die aber den Entwicklungsstand Rodolfos exakt trifft. Leah Gordon zwitschert die Musetta mit glitzernden Koloraturen; Christian Helmer gibt dem Schaunard wohl kalkulierten Ausdruck; Nicolai Karnolsky gelingt Collines Mantel-Arie mit stupender Selbstverständlichkeit; und mit Melih Tepretmez ist ein Marcello zu hören, dessen hohe Stimmkultur tatsächlich innere Vorgänge authentisch vermittelt.

Glücklicherweise gelingt es Heiko Mathias Förster mit der präzis und empathisch aufspielenden Neuen Philharmonie Westfalen, zumindest musikalisch die Essenz des so veristisch-emotionalen Werks zu retten.

„Einmal war ich richtig gerührt“ hört man beim Hinausgehen – und dies „ein Mal“ war sicherlich nicht beim Herumgezicke der Mimi bei Rodolfos großer Arie, war auch nicht beim gegenseitigen Pudding-Klatschen von Marcello und Musetta im zweiten Akt, war auch nicht beim permanenten Vorbeidefilieren des Chors oder beim Auftritt des Kinderchors -- es sei denn, der eigene Nachwuchs war beteiligt. So bleibt es bei freundlichem Applaus für Sänger und Orchester; es gibt keine „Buhs“ für das Regieteam – nach fünf Minuten abgehakt. (frs)


Fotos: Musiktheater im Revier