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Fakten zur Aufführung 

AVATAR
(Roland Moser)
4. März 2006 (Premiere)

Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

Points of Honor                      

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Identitäten und Ethik

„Avatar“ ist Sanskrit und bedeutet „Seelentausch“. Der französische Romantiker Theophile Gautier schrieb vor 150 Jahren eine Novelle, in der ein Magier die seelischen Identitäten zweier Männer austauscht, um dem einen die Annäherung an die Frau des anderen zu ermöglichen – was aber nicht gelingt und am Ende dazu führt, dass sich die Seele des Magiers im Körper des einen Betroffenen verjüngt – und das ewige Weiterleben obskurer Medizin-Tricks bedenkenswert insinuiert.

Roland Moser schafft zu diesem archetypisch-poetischen Momento gefährdeter Humanität eine kalkuliert-spröde Klang-Kulisse, der das theoretische Umsetzen subtil errechneter serialer Gesetzmäßigkeiten jegliche Emotionalität nimmt. Für die Sänger stellt sich mit den artifiziellen Herausforderungen an Techniken des melodram-ähnlichen Sprechgesangs auch das darstellerische Problem. William Saetre ist der zwielichtige Scharlatan; Edit Lehr eine skeptisch-intuitive Ehefrau; Nyle P. Wolfe ein beherrscht-irritierter Ehemann; und Günter Paendell ein leidenschaftlich-verunsicherter Liebhaber – Birgit Brusselmans gibt die alles durchschauende Putzfrau mit enormer Präsenz. Gesungen wird stimmsicher, die wenigen „Bravour“-Gelegenheiten gekonnt nutzend.

Die Neue Philharmonie Westfalen sitzt auf dem Rang – das Publikum zwischen Bühne und Orchester und Samuel Bächli gibt intensive Impulse, die sich um die Emotionalisierung der spröden Partitur erfolgreich bemühen.

Die Regie Peter Schweigers orientiert sich an den Usancen klassischer Konversations-Stücke (man denke an Capriccio von Richard Strauss) und gibt den Darstellern viele Chancen zum Ausdruck persönlicher Befindlichkeiten.

Auf der Bühne beherrschen große bewegliche Wände in wechselnden Farben die Szene, geben Blicke frei auf voluminös barock-gerahmte „lebende“ Bilder. Stefanie Pasterkamps Szene verstärkt den eher kontemplativen Eindruck des Abends.

Das aufmerksam-neugierige Gelsenkirchener Premieren-Publikum folgt eher skeptisch dem musikalisch wenig erregenden Angebot, spürt aber die zugrunde liegende Idee und das enorme Engagement aller Beteiligten – und hat nach Schluss viel Diskussionsbedarf. Das Programmheft bietet dazu informative Texte mit Erklärungsversuchen der Überbewertung vorgegebener Strukturen. (frs)


Foto: Rudolf Finkes