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Fakten zur Aufführung 

L'ASSEDIO DI CALAIS
(Gaetano Donizetti)
2. Februar 2008 (Premiere)

Musiktheater im Revier


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Belcanto-Gefühle

Rodins expressionistische Skulptur von 1895 und Georg Kaisers symbolistisch-expressionistisches Drama von 1917 gehören zum Fundus des kulturellen Erbes. Donizettis Belagerung von Calais von 1836 ist dagegen in Vergessenheit geraten - die „Belcanto-Oper“ des Musiktheaters im Revier präsentiert dieses pathetische Werk erstmalig auf deutschen Bühnen – konzertant.

Der Abend wird zu einem Triumph des emotionsgeladenen Belcanto-Gesangs. Christian Helmer singt den Calais-Bürgermeister Eustachio mit souveräner Intonation, gibt ihm mit beeindruckendem Volumen pathetische Kraft. Anna Agathonos verleiht dem kämpferischen Aurelio stimmliche Verve, stürzt sich mit kontrollierter Emphase in die komplizierten vokalen Herausforderungen und artikuliert mit agiler Intensität den Charakter eines durchaus ambivalenten „Helden“. Claudia Braun verleiht der verletzlichen Eleonora sensiblen Klang, lässt mit ihrem eher „sanften“ Timbre Gefühle des Mit-Leidens aufkommen. Melih Tepretmez ist ein brutal-siegreicher König Edoardo, lässt seiner beeindruckenden Stimmkraft emotional kalkulierten Lauf. Mit William Saetre, Sung-Kwang Park, Jerzy Kwika, Georg Hansen, Jee-Hyun Kim und Richetta Manager sind Solisten auf dem Podium, die sich im subtilen Belcanto-Gesang vortrefflich auskennen und die Gefühlsdimensionen der „Figuren“ eindrucksvoll hörbar werden lassen. Der kollektiv präsente Chor des Musiktheaters im Revier entspricht mit brausendem Gesang diesem grandiosen Niveau.

Bei diesem Feuerwerk emotionalisierenden Kunstgesangs spielt die historische Situation des Hundertjährigen englisch-französischen Kriegs kaum eine Rolle – was auch an den teilweise rätselhaften Übertiteln liegt, die zudem in der Projektion auf die Bühnenrückwand wegen viel zu viel Licht-Einfall nur mit Mühe zu lesen sind.

Bernhard Stengel geht die Donizetti-Vorgabe mit der spielfreudigen Neuen Philharmonie Westfalen recht martialisch in schleppendem Tempo an, konzentriert sich offenbar auf die effektvolle Unterstützung des Gesangs, bleibt ohne „elegante“ Leichtigkeit und vermittelt eine Musik ohne intime Nuancen.

Im gut besuchten Gelsenkirchener Haus – am Ende erhalten die Solisten Rosen im Yves-Klein-Blau! – ist eine Gemeinde von Belcanto-Fans versammelt, der es ohnehin nicht um ein konsistentes Drama geht, die ihre „Stars“ singend erleben wollen. Und diese zu verstehende Sehnsucht wird erfüllt – und entsprechend mit langanhaltendem Zwischenapplaus und viertelstündigem Beifall am Ende gedankt.

Man fragt sich, weshalb nicht ein Hauch halbszenischer Einrichtungen den Eindruck einer exzeptionellen historischen Rezeption vermittelt – und zumindest ansatzweise die Problematik pathetisch-heroischer aufgreift. (frs)