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Fakten zur Aufführung 

L'AFRICAINE
(Giacomo Meyerbeer)
20. April 2008 (Premiere)

MiR Gelsenkirchen


Points of Honor                      

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Liebe im Imperialismus

Die Portugiesen Diaz und Vasca da Gama „erobern“ den Pazifik, zerstören Jahrtausende alte Kulturen, sind selbst zerstritten, heucheln Humanität, denken aber nur an ökonomische Effekte und an die Befriedigung persönlicher Eitelkeiten. Eugene Scribe hat zu dieser epochalen Problematik ein durchaus emotionalisierendes Libretto geschrieben, aus dem Giacomo Meyerbeer eine Grand Opera entwickelte – Premiere postum 1865.

Andreas Baesler verlegt die Handlung ins 19. Jahrhundert – einigermaßen überzeugend: ist doch der imperialistische Prozess zu der Zeit auf dem Höhepunkt, und spielt das romantische Gefühl eine verinnerlichende Rolle. Mit spektakulär-kritischen Einzelszenen (die „Afrikaner“ im Netz gefangen und wie Tiere präsentiert) gelingen plakative Bilder. Doch das erschütternde Mit-Leiden will sich nicht vermitteln: Zu statisch sind die Abläufe, zu konventionell die dargestellten Beziehungen zwischen den Personen.

Andreas Wilkens möbliert die Bühne realistisch mit Versatzstücken der Zeit, implementiert Symbole (wie den von Szene zu Szene wachsenden Manzanillo-Baum), gelangt aber nicht zu bezwingenden „Bildwelten“.

Überraschenderweise verfehlt auch der so engagiert reflektierende Samuel Bächli mit der uninspirierten Neuen Philharmonie Westfalen die musikalischen Angebote der pathetischen Grand Opera. Das bleibt beliebige groß-orchestrales Schwelgen, weitgehend undifferenziert und ohne Interpretation der „Seelenkräfte“ der dramatisch bedrängten Personen.

Ein Problem: Das so spielfreudig musikalische Ensemble der Gelsenkirchener Hochburg des Belcanto-Gesangs stößt offenbar mit den Anforderungen der Grand Opera an seine Grenzen - und wird von Regie und Bühne nicht unterstützt. Christopher Lincoln ist ein ambivalenter Vasco da Gama, singt klangschön, ohne emotionale Qualen zu vermitteln. Leah Gordon ist die hübsch-sentimentale Inès, ohne liebendes Leiden differenziert auszudrücken. Hrachuhi Bassénz gibt der gefangenen, sich opfernden „indischen Königin“ Sélica ergreifenden Klang, lässt Verständnis für die gnadenlose Ausbeutung der „naiven“ Kultur Gesang werden. Jee-Hyun Kim gibt dem kompromisslos-konsequenten Nélusko ungemein kräftige Statur, ohne seine baritonale power für zweifelnde Zwischentöne zu nutzen. Joachim Gabriel Maaß überzeugt als argumentierender Ratspräsident; Nicolai Karnolsky ist ein sturer Admiral; Daniel Wagner gibt dem Alvar glaubwürdigen Charakter; Vladislav Solodyagin intoniert einen unbarmherzigen Großinquisitor, kontrastiert mit dem brahmanischen Oberpriester von Melih Tepretmez.

Das Gelsenkirchener Publikum versucht intensiv, die Inszenierungs-Idee nachzuvollziehen, „genießt“ das exotische Geschehen - und bleibt einigermaßen ratlos. Dennoch: Intensiver Schlussapplaus. (frs)
 
Foto: MiR Gelsenkirchen