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Fakten zur Aufführung 

ADRIANA LECOUVREUR
(Francesco Cilea)
3. Dezember 2010
(Premiere: 27. November 2010)

Theater Freiburg


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Erfolgsdruck und Versagensangst

Es ist erstaunlich, wie fest verankert bestimmte Opernarien als Bestandteil eines x-beliebiegen Arienabends sind, die aus Opern stammen, die kaum jemand kennt, geschweige denn sie je auf der Opernbühne gesehen hat. „Ebben, ne andro lontana“ ist solch ein Beispiel aus Alfredo Catalanis La Wally; die Arie kennt jedes Kind, die Oper ist gänzlich unbekannt, der Komponist vergessen. Ebenso ergeht es „Io son l'umile ancella“, der Auftrittsarie der Adriana Lecouvreur, dem einzigen großen Erfolg von Francesco Cilea. Die Arie findet sich auf jeder zweiten CD mit einem Sopran-Recital, die Oper - sie gehörte zum Lieblingsrepertoire großer Sängerinnen wie Magda Olivero, Montserrat Caballé oder Mirella Freni - ist in Deutschland völlig vergessen und wird hierzulande kaum jemals aufgeführt. Dennoch haben sich in den vergangen Jahren immer wieder kleine und mittlere Bühnen dieses Werkes angenommen und so ist Adriana Lecouvreur nach Aufführungen in Erfurt, Lübeck und Neustrelitz nun am Theater Freiburg zu erleben.
Alfons Flores hat für Regisseur Joan Anton Rechi einen tunnelartigen Raum geschaffen. Durch das Anheben der Seiten und der Decke entsteht im dritten und vierten Akt eine Art Rampe, auf der im Finale Adrianas Tod ganz theater-like inszeniert wird. Die prachtvollen Kostüme von Moritz Junge vermitteln Glamour und Opulenz.
Der Regisseur stellt die Künstlerin ins Zentrum seiner Inszenierung und beschränkt sich im Wesentlichen darauf, ihre Geschichte zu erzählen. Nach seiner Lesart leidet Adriana unter Erfolgsdruck und Versagensangst und versucht, beides im Alkohol zu ertränken. Sie ist eine Diva auf der Bühne wie im Leben, der umschwärmte Star der Comédie-Française, und wird doch zu Wachs in den Händen von Maurizio. Dieser ist gleichfalls das Objekt der Begierde der skrupellosen Fürstin von Bouillon (in Freiburg ebenfalls Trinkerin). Die Fürstin kann die Zurückweisung nicht verwinden und bringt die ungeliebte Rivalin mit Hilfe eines vergifteten Veilchenstrausses ums Leben.
Francesco Cilea kleidet die Story um Liebe, Eifer- und Erfolgssucht, Intrige und Rache in einen unvergleichlichen Melodienreigen. Die Motive sind eingängig und vielfältig und werden zur Grundlage eines wunderbaren Musikerlebnisses. Die künstlerische Qualität der Darbietung ist enorm, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Protagonisten sämtlich aus dem Hause stammen.
Allen voran verkörpert Jana Havranova die Schauspielerin Adriana - und das ist genau so zu verstehen. Sie geht in der Rolle auf, verleiht den großen Szenen im ersten und dritten Akt das notwendige Pathos und findet im vierten Akt durch hinreißende Piani den Weg ins Herz des Publikums. Ihr Gegenüber, der Spanier Germán Villar, liefert alle Spitzentöne ab, die die schwierige Partie - einst ein Steckenpferd von Enrico Caruso oder Benjamino Gigli - anbietet, wirkt jedoch bisweilen sehr angestrengt und neben seiner Partnerin fast blass. Dies liegt zum Teil an mitunter stark forcierten Tönen, in viel stärkeren Maße jedoch hinterlässt seine beinahe ungelenke Darstellung diesen Eindruck. Erst im vierten Akt überwindet er das steife, bemüht bis hölzern wirkende Spiel, hängt nicht mehr ständig mit dem Blick am Dirigenten und vermag dann nicht nur durch das Meistern der technischen Schwierigkeiten sondern auch durch das Vermitteln von Gefühl zu überzeugen.
Schwierigkeiten dieser Art sind Anja Jung fremd. Die Künstlerin ist vom ersten Takt an präsent, ihr dunkler Mezzo wirkt beinahe bedrohlich, sie scheint die einzige, die der Bühnenpräsenz von Jana Havrova etwas entgegenzusetzen weiß - und so gerät das Finale des zweiten Aktes - ein Duett der Rivalinnen, das eher ein Duell ist - zu einem der musikalischen Höhepunkte des Abends. Nuanciert gestaltet sie die verschiedenen Facetten ihrer Rolle und überzeugt stimmlich wie darstellerisch. Der Theaterdirektor Michonnet, den Juan Orozco verkörpert, ist von der Regie so tollpatschig angelegt, dass beim Zuschauer eher Mitleid als echtes Mitgefühl für seine Situation - die unerwiderte Liebe zur Diva - entsteht. Gleichwohl überzeugt der Bariton in seiner großen Szene im ersten Akt. Mit profundem Bass gestaltet Jin Seok Lee den Fürsten, der Abbé von Christoph Waltle überrascht im dritten Akt mit brillanten Höhen.
Johannes Knapp führt das Philharmonische Orchester Freiburg gekonnt durch die abwechslungsreiche Partitur. Mit einer gehörigen Portion Italianitá würzt er die gefühlvoll-berührenden bis heiter-mitreißenden Melodien und feuert die Musiker zu Höchstleistungen an.
Das Publikum im bedauernswerter Weise recht spärlich besuchten Freiburger Theater ist begeistert und manch einer freut sich über den gelungenen Opernabend ebenso, wie über die persönliche Entdeckung dieses musikalischen Schatzes. Eine Reise in den Breisgau lohnt für das Werk alleine schon, für die künstlerische Leistung doppelt.

Jochen Rüth

 









Fotos: Theater Freiburg