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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
31. Oktober 2010 (Premiere)

Oper Frankfurt


Points of Honor                      

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Menschen in fremder Welt

Ein Abend mit großem Musiktheater in der Oper Frankfurt. Selten hat das Publikum Wagners Walküre so dinglich und klar erzählt bekommen wie jetzt in Frankfurt, wenn Regisseurin Vera Nemirova gemeinsam mit Bühnenbildner Jens Kilian und der Kostümbildnerin Ingeborg Bernerth den Zusammenprall von Hoffnung, Zorn und Liebe, Eigensinn und Zuwendung, Mythen und überzeitlicher Realität ordnet. Einsichtig und eindringlich, wundersam und wunderschön, zumal Sebastian Weigle mit dem Opern- und Museumsorchester die Musik grandios aufstellt.

Konzentrische, verschachtelte Ringe beherrschen die Bühne. Sie kreisen langsam umeinander, nehmen Schräglagen ein wie verzerrte Planetenbahnen und schließen sich zur überdimensionalen Scheibe zusammen. Es könnten Jahresringe sein, um Mythen und deren Wandel, aber auch deren Beharrungsvermögen darzustellen, aus denen Richard Wagner den Stoff für seine Walküre zieht. Auf diesem Tableau zeigt die Inszenierung typisierte Stellvertreter des menschlich-allzumenschlichen Daseins, und zentriert Optik wie Personenführung ohne Ablenkungsmanöver auf den Kern der Figuren.

Sie leiden an sich selbst, an ihrer inneren Unrast, am Unbehaustsein in einer fremden Welt. Schnee fällt, Siegmund irrt umher. Die Scheibe hebt sich, und zwischen den Träger-Stelzen entdeckt die traurige Sieglinde ihr mitfühlendes Herz für den Fremden. Vom Macho Hunding wechselt sie gerne zu einem, der Hilfe braucht. Aber als eine zwangsläufige erzählt Vera Nemirova die Geschichte bis zum Feuerring-Ende, ohne dass Qualm oder überflüssiges Beiwerk den Zugang zu Wagner stören würde.

Selbst Götter sind nur Menschen. Wotan bleibt ein überforderter Kerl, voller Selbstmitleid, der auch zum Flachmann greift und irdischer Begierden wegen an seiner Göttlichkeit scheiterte. Terje Stensvold singt ihn mit intensiven, gleichwohl ausgeglichenen Bariton-Registern und zeigt die emotionale Vielfalt dieser Figur, ohne allzu „heldisch“ aufzutrumpfen. Die Fremdgeherei wiederum passte seiner Fricka gar nicht, sie steigert sich in rasende Eifersucht hinein und erpresst ihn. Im schwarzen Ausgehkleid singt Martina Dicke mit überragendem Mezzo, glänzend wie polierter Edelstahl. Siegmund und Sieglinde: Wie bei der Uraufführung 1870 mit einem Sänger-Ehepaar besetzt, wenn Frank van Aken seinen Heldentenor in kerniger Emotionalität zu großer Strahlkraft führt und Eva-Maria Westbroek ein dramatisches Leuchten in alle seelischen Regungen einfügt. Hunding lässt seine Frau die Stiefel putzen und verlangt herrisch nach dem Abendbrot. Ain Anger bringt dafür einen prächtigen Charakterbass ein. Und Brünnhilde erfährt durch die hochdramatisch agierende Susan Bullock eine nachvollziehbare Wandlung von Wotans kampflüsterner Erfüllungsgehilfin hin zu differenzierter Mitmenschlichkeit. Bei den Walküren gönnt sich die Regisseurin kleine, passgenaue Ironien. Sie „reiten“ nicht, und schon gar nicht auf wilden Rössern, sondern stehen auf dem Scheiben-Rand wie Schildwachen. Umso schöner dann ihr Gesang. Und Rösser werden durch ein einziges Spielzeugpferdchen symbolisiert und dadurch auch relativiert.

Grandios spielten die Frankfurter Musiker, gerade wieder zum „Opernorchester des Jahres“ gewählt. Sebastian Weigle führte Klangkörper wie Sängerensemble glühend und dicht durch das Bühnengeschehen, gewann aus der Partitur kräftige Farben und gewaltsame Ausbrüche, malte al fresco oder hoch differenziert, je nach Bedarf, so dass das Hören zur reinen Lust wurde. Und das Sehen hielt der Musik stand. - Der Premierenbeifall für einen großen Musiktheater-Abend war riesig, wobei sich in Richtung Vera Nemirova einige Buhs einmischten.

Eckhard Britsch

 









 
Fotos: Monika Rittershaus