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Fakten zur Aufführung 

LA CLEMENZA DI TITO
(Wolfgang A. Mozart)
27. Januar 2006 (Premiere)

Oper Frankfurt

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Die Einsamkeit des Titus

Worum geht es eigentlich in dieser Oper? So lautet die Frage, die eine Frau am Nebentisch der Opern-Gastronomie im ersten Rang an ihre Begleiter richtet. Daraufhin erhält sie folgende Antwort: Frau 2: „Ach, das geht hin und her.“ Mann: „Der Titus muss ein sehr netter Mensch gewesen sein.“ Kein Zweifel, dies ist die in typisch südhessischer Knappheit gehaltene kürzest mögliche Inhaltsangabe von „La clemenza di Tito“. Freilich hat es sich Christof Loy nicht nehmen lassen, das Hin und Her noch ein wenig weiter auszuführen als die Herrschaften am Nebentisch.

La Clemenza di Tito, die Premiere pünktlich zum 250. Geburtstag des Opernhelden Mozart, wird – und da lässt sich die Autorin dieser Zeilen durchaus zu Prophetie hinreißen – zu ebenso einem erfolgreichen Dauerbrenner an der Oper Frankfurt werden wie die wundervolle „Entführung aus dem Serail“ des Erfolgsregisseurs Loy. Einmal mehr zeigte er seine Stärke: Nämlich ein scheinbar oberflächliches Stück mit vermeintlich idealisierten, schablonenhaften Figuren nicht durch billige Gags der Lächerlichkeit preis zu geben, sondern im Gegenteil mit großem Ernst die Gefühle der Protagonisten dicht und anrührend wie in einem Kammerspiel dem Publikum zu präsentieren. Auf diese Weise werden selbst die langen Rezitative zu einem unerlässlich wichtigen Teil der Aufführung.

Statt Ornament und Personengewusel auf der Bühne lässt Loy in den Räumen von Herbert Murauer die Dialogszenen ablaufen – Vitellia als in ihrer Eitelkeit gekränkte Frau wandelt sich hier nachvollziehbar zur Liebenden; Sesto ist hier ein so sehr zwischen starken Gefühlen zerrissener Charakter, dass man für ihn tiefes Mitleid empfindet. Die Ausstattung – Bühne und Kostüme – lassen keine genaue zeitliche und räumliche Zuordnung zu, was die Konzentration auf das Wesentliche, nämlich Liebe, Begehren, Hass, Eifersucht, Zweifel, Güte und letztlich Einsamkeit noch verstärkt. Nach dem der nette Mensch Titus seinen letzten Akt der Güte getätigt hat, bleibt er, durch eine Kulissenwand räumlich getrennt von den anderen, alleine zurück. Herrschen, selbst mit Güte, macht einsam – zumindest den, der zu diesem Gefühl fähig ist.

Dass Loys Konzept so gut zum Tragen kommt, liegt aber letztlich daran, dass auch alle Sänger und Sängerinnen offenkundig damit etwas anfangen konnten. Durchweg überzeugende darstellerische und vor allem sängerische Leistungen. Besonders Kurt Streit als Titus und Alice Coote als Sesto verdienen Erwähnung, denn beide können geradezu als Idealbesetzung für ihre jeweilige Partie angesehen werden. Streit mit hellem Timbre und schlanken Ton. Coote mit warmen Mezzo enorm flexibel und agil, ohne je eine der großartigen Sesto-Arien gehetzt klingen zu lassen – im Gegenteil, sie suhlt sich förmlich in jedem Ton. Silvana Dussman als Vitellia, Britta Stallmeister als Servilia, Jenny Carlstedt als Annio und Simon Bailey als Publio runden das stimmige Bild ab.

Der Generaldirektor der Oper Frankfurt Paolo Carignani zeigte mit dem Frankfurter Museumsorchester, dass Mozart wunderbar klingen kann ohne Originalklang (was auch immer das ist) und „Mozart-Spezialisten“ am Pult. Bereits die Ouvertüre ist so kompakt, spannungsgeladen und offeriert dabei doch stets ein so transparentes Klangbild, dass keiner der Sänger je in die Verlegenheit gerät, sich mit Kraft Gehör verschaffen zu müssen. Orchester und Sänger scheinen geradezu schlafwandlerisch miteinander zu harmonieren.

Obwohl in dem ein oder anderem belauschten Pausengespräch deutlich wurde, dass Mozarts späte Anlehnung an die Opera seria wenig bis gar nicht bekannt ist, entlud sich im Schlussapplaus eine – selbst für Frankfurter Verhältnisse – selten einhellige Begeisterung und Wärme für das gesamte Produktionsteam. Kein einziges leises Buh im ausverkauften Haus. Statt dessen Bravi und übermütige Pfiffe. Vor allem Alice Coote, Kurt Streit und Paolo Carignani sowie die Musiker des Museumsorchesters dürften angesichts der stürmischen Liebesbekundungen des Publikums sehr glücklich nachhause gegangen sein. (sr)


Fotos: © Barbara Aumüller