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Fakten zur Aufführung 

THE TEMPEST
(Thomas Adès)
10. Januar 2010
(Deutsche Erstaufführung)

Oper Frankfurt


Points of Honor                      

Musik

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Musikalische Poesie

Shakespeares tiefgründig deutbarer Sturm von 1611 gilt mit seinen vielfältigen musikalischen Verweisen seit langer Zeit als musiktheatrales Sujet: schon Berlioz griff Themen auf, Frank Martins Oper und Zdenek Fibichs kongeniale Umsetzung - zuletzt 2007 in Bielefeld – sowie Luciano Berios Un Re in Ascolta (2008 in Münster) setzten sich mit der philosophischen Deutung auseinander. 2004 fand die Interpretation von Thomas Adès als Uraufführung in London statt – nach Strasbourg und Amsterdam nun die äußerst zustimmend aufgenommene deutsche Erstaufführung in Frankfurt.

Keith Warners Regie imaginiert mit faszinierend wechselnden Perspektiven großes Welttheater, vermittelt zwischen märchenhafter Phantasie, frappierender Situationskomik und philosophischem Pathos - dies alles in bewegender Übereinstimmung sowohl mit der Shakespeare-Vorlage als auch mit der vielschichtig-interpretierenden Adès-Musik!

Boris Kudličkas Bühne fasziniert mit kongenial überraschenden Elementen – Prosperos „Denkraum“ mit seinen Büchern als Kubus im Mittelpunkt, sich öffnende Ausblicke in das Inselleben, einbrechende geheimnisvoll-bedrohende Ungeheuer - dies alles nicht platt realistisch, sondern sich steigernd in der geradezu metaphysischen Überhöhung. Jorge Jaras „sprechende“ Kostüme vermitteln mit ihren Typisierungen die hoch differenzierte Inszenierungsidee mit ihrem vielschichtigen Ansatz – grandios die Erscheinung Ariels!

Johannes Debus leitet das hoch konzentrierte Frankfurter Museumsorchester zu einer hinreißenden Interpretation der vielschichtigen Adès-Musik. Mit extremer Dynamik – von den Crescendi der Schiffs-Katastrophe bis zu den Pianissimi des Leidens der Akteure – und der idiomatischen Verweise auf „englische“ Musik-Traditionen von Purcell über Händel bis zu Elgar und Britten: Das exzellente Orchester beweist vor allem in den leisen Passagen mit ihren filigranen Strukturen seine hohe Kompetenz, integriert bravouröse Instrumenten-Soli in einen faszinierenden Gesamtklang!

Adrian Eröd gibt dem Prospero nachdenkliche baritonale Kraft, überzeugt als der wahrheitssuchende Zweifler, beherrscht den geforderten emotionalisierenden Sprech-Gesang mit bewundernswerter Kompetenz! Claudia Mahnke als Miranda nutzt die wenigen Gelegenheiten arioser Passagen zur Demonstration ihrer außerordentlichen Musikalität. Carsten Süß beeindruckt im Finale als empört-abweisender Ferdinand; Magnus Baldvinsson und Christopher Robson stellen mit prononzierter Intonation aufmüpfige Stefano und Trinculo auf die Bühne; mit Michael McCown als Antonio, Sungkon Kim als Sebastian, Simon Bailey als Gonzalo und Richard Cox als Alonso sind die stimulierenden Rollen typengerecht besetzt und reüssieren mit ausdrucksvoller stimmlicher Variabilität. Peter Marsh verleiht dem Caliban gruseliges Verhalten, nutzt im Finale die Chance zum lamento-ähnlichen Wandel mit verhaltener Phrasierungskunst. Triumphe darstellerischer Skurrilität und stimmlicher Exotik feiert Cyndia Sieden als Ariel – was da an stimmlicher Akrobatik gefordert ist, gerät schon in Grenzbereiche; aber der Sängerin gelingen sowohl die exaltierten Höhen mit variablem Klang als auch die ergreifend emotionale Schluss-Arie mit zu Tränen rührender Intensität! Und schließlich der Chor: unter Leitung von Michael Clark szenisch präsent, stimmlich von phänomenaler Ausdruckskraft.

Das aufmerksame Publikum lässt sich von Anfang an von Szene und Musik gefangen nehmen, wird vom charismatischen dritten Akt nach der Pause hingerissen und reagiert nach dem Schluss-Vorhang geradezu enthusiastisch. Die Frankfurter Oper überzeugt mit phantasievollem Musiktheater, feiert einen neuen Erfolg als Opern-Olymp!

Franz R. Stuke

 






 
Fotos: © Monika Rittershaus