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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)
28. Januar 2007 (Premiere)

Oper Frankfurt

Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Tannhäuser dreht auf

Tannhäuser ist ein paradigmatischer Mensch, ein Künstler vielleicht, der auf seiner Suche nach Ekstase im Konflikt zwischen innerlich-religiösem Erlösungswunsch und äußerlich-sinnlichen und sexuellen Wünschen zerrieben wird. Um diesen Konflikt darzustellen – man mag dies aus heutiger Perspektive belächeln – hat Wagner zwei antagonistische Frauengestalten auf die Bühne gestellt. Elisabeth, die Reine und Holde, die sich am Ende für den Helden opfert (ein immer wiederkehrendes Element in Wagners Oeuvre und anscheinend auch fester Bestandteil seiner Phantasie), auf der anderen Seite die verführerische Venus, die den armen Kerl durch ihre weiblichen Lockungen ins Verderben führt – und dabei auch noch auf ihren eigenen Vorteil aus ist. Böse ist das.

Soweit so schlecht. Es kann sicher nicht schaden, wenn sich eine Regisseurin mal Gedanken über dieses Phantasma macht. Dennoch ist es meines Erachtens kaum möglich, den paradigmatisch anhand zweier Frauenfiguren dargestellten Widerspruch zwischen sinnlichen Verlangen und Erlösung außer acht zu lassen oder auch nur abzuschwächen. Ob es uns passt oder nicht, aber darum dreht sich im Tannhäuser alles und der Titelheld scheitert letztlich an der völligen Unvereinbarkeit beider „Welten“.

In ihrer ersten Regiearbeit an der Oper Frankfurt hat die Konwitschny- und Berghaus-Schülerin sich bewusst von diesem Konflikt wegbewegt. Für sie sind Venus und Elisabeth gar nicht so polar, sondern Elisabeth ist auch eine Liebende und die Venus nicht nur schlecht. Diese Annahme ist ziemlich banal und trägt meines Erachtens kaum als Konzept für eine Regiearbeit. Zumal beide Frauencharaktere erstaunlich passiv agieren und wenig Profil entwickeln. Venus (Elena Zhidkova) ist eine Art postmodernes Hippie-Mädchen oder Bad Girl, das sich seine eigene treue Peer Group hält – junge Menschen, die aussehen als wären sie beim katholischen Weltjugendtag an den falschen Info-Stand in die Fänge einer Lust-Heiligen geraten - mitsamt ihren Iso-Matten.

Bereits in der ersten Szene, während des Tannhäuser-Vorspiels, dürfen diese befreiten Christen nach inbrünstigem Gebet endlich (Ekstase!) ihre Kleider vom Leib reißen, hopsen, jauchzen und auch ein wenig tatschen. Sobald ein Kreuz in Sicht kommt sind diese jungen Menschen jedoch wieder ganz bei der Sache. Hier lernt der geneigte Betrachter, dass sich religiöse und sinnlich-erotische Ekstase in ihrer Struktur ähneln.

Tannhäuser ist offenbar der momentane Lebensabschnittsgefährte der zickigen Venus. Dennoch will er unbedingt weg – wie wir alle wissen, zieht es ihn zu den Menschen hin, soviel göttliche Nähe erträgt er nicht mehr. Doch als wir dann seiner Kumpane von früher ansichtig werden, den Wolfram, den Walther, Heinrich, Biterolf und Reinmar, fragt man sich dann doch, weshalb er unbedingt dahin zurück wollte. Offenkundig war Tannhäuser vor seinem Ausflug zu den christlichen Hippies als Gitarrist bei einer eher zweitklassigen Combo tätig, jedenfalls wirken die Jungs in ihren schwarzen Jacketts und tief-violett glänzenden Hemden wie ein schlechtes Blues-Brother-Cover aus der Vorstadt.

Im zweiten Akt kommt Elisabeth (Danielle Halbwachs) ins Spiel. War sie einmal die Lead-Sängerin der Combo? Irgendwie gehört sie jedenfalls dazu. Die Sängerhalle ist ein festlich geschmücktes Fernsehstudio. Offenbar naht die Live-Übertragung eines großen Sängerfestes. Der Chor marschiert ein, die Combo nimmt Platz, der erste Vortrag beginnt. Davor hat netterweise der sponsorende Bierkonzern noch eines seiner Erzeugnisse kredenzt. Im Hintergrund die Werbeeinblendung. Schließlich kommt es zwischen Wolfram und Tannhäuser zu Eskalation. Tannhäuser beharrt auf seinen im Venusberg neu erworbenen Erkenntnissen über die Liebe und demonstriert sie zugleich vor laufenden Kameras an der weiterhin passiven Elisabeth. Das ist nun zuviel des Guten, weshalb er sich dann auf den Weg nach Rom macht, um zu büßen – was bei dieser Inszenierung allerdings als völliges Rätsel erscheint, weil ihm niemand abnimmt, dass er sich als Sünder empfindet. Und wo liegt überhaupt die Sünde? Und wo der Konflikt?

Im dritten Akt, der in einem recht leeren Raum abläuft, wird dann nur noch recht lieblos der Rest der Handlung erzählt. Irgendwann ist Elisabeth dann tot. Weshalb, erschließt sich aus der Szene nicht. Irgendwann ist Tannhäuser wieder da und erzählt Wolfram die Ablehnung seines Gesuchs durch den Papst. Auch das wirkt reichlich unsinnig in diesem Kontext. Weshalb sollte dieser Mensch wegen so einer Lapalie (zwei etwas unterschiedliche Frauen die ihn lieben und er kann sich halt schlecht entscheiden, ob er lieber etwas bürgerlicher oder etwas flippiger leben möchte) zum Papst pilgern?

Gesanglich wurde der Inszenierung Ebenbürtiges geboten. Herausragend war einzig Christian Gerhaher als Wolfram von Eschenbach. Ein Sänger der seine Partie gestalten konnte. Alle anderen verfügten zwar durchaus über die Stimme, aber von einer Interpretation des Textes war wenig bis nichts zu spüren. Das mag daran liegen, dass fast alle Sänger ihr Rollendebüt gaben. Ian Storey als Tannhäuser, Elena Zhidkova als Venus, die an sich wunderbare Danielle Halbwachs als Elisabeth, Gregory Frank als Bierolf und Magnus Baldvinsson hinterließen deshalb leider nur einen recht blassen Eindruck – und das bei diesen Partien. Wirklich unangenehm klang der Solist der Aureliuser Sängerknaben als Hirt. Auch wenn das nur eine klitzekleine Partie ist, wäre man gut beraten, hier eine Sängerin aus dem Ensemble in die Pflicht zu nehmen, denn für die Knaben ist das trotz allem ein bis zwei Nummern zu groß. Ich erwähne dies nur deshalb, weil mir bereits bei der letzten Tosca der betreffende Sängerknabe unangenehm aufgefallen ist.

Die Publikumsreaktion auf diese Produktion war dennoch einigermaßen positiv, was an mehreren Dingen liegen mag. Erstens ist das Frankfurter Publikum sowieso recht gutherzig, zweitens sah man hier lange keinen Tannhäuser und drittens sitzen wohl eher wenige Hardcore-Wagnerianer im Publikum, die über einen Erfahrungsschatz von zwanzig verschiedenen Produktionen in fünf verschiedenen Ländern verfügen. Und das ist auch gut so. Dennoch war der Applaus für die Sänger zwar freundlich, aber auch nicht mehr. Nur Gerhaher konnte sich im Jubel sonnen. Carignanis Dirigat war wieder einmal ordentlich, akkurat, aber ohne erkennbare „große Linie“. Dies mag wie Erbsenzählerei erscheinen und ist es vielleicht auch, aber wer in Berlin oder auch (nur) in Hamburg Wagner-Dirigate gehört hat, ahnt, was mit Linie gemeint ist.

Fazit: Eine Produktion, die teilweise unterhaltsam, größtenteils jedoch beliebig und belanglos ist und Etliches der Handlung einfach nicht nachvollziehbar macht. Dennoch könnte dieser Tannhäuser etwas für Operneinsteiger sein, die mit Wagner bislang nichts anfangen können und die man mit seinen starken Thesen erst gar nicht einschüchtern möchte. (sr)


Fotos: © Monika Rittershaus