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Fakten zur Aufführung 

L'ORFEO
(Claudio Monteverdi)
3. Januar 2008

Oper Frankfurt


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Halbgott

Monteverdis Meisterwerk wird im Frankfurter Bockenheimer Depot zum faszinierenden Drama des Künstlers als Halbgott.

Felice Venanzoni zelebriert geradezu mit den exzellenten Musikern des Frankfurter Museumsorchesters die polyphone Virtuosität dieser ersten Oper von 1607, weit weg von akademischer Attitüde, vielmehr durchdrungen von archetypischem musikalischen Ausdruck – mit geradezu bezwingender Dynamik, mit Emotionen stimulierenden Tempi, als sensibles Zusammenspiel der so ausdrucksvoll aufspielenden Musiker. Dabei gelingt die Kombination von aktuellen Instrumenten mit historischen wie Cornetto, Cembalo, Lirone, Chitarrone und Cembalo in beglückender Weise!

Christian Gerhaher demonstriert seinen unbestrittenen Ruf als Sänger der Extra-Klasse: Wie er dramatische Rezitative intoniert, wie er in wilden Ausbrüchen seine Stimme beherrscht, wie er lyrischen Empfindungen in schwelgerischer Intensität ergreifenden Ausdruck verleiht – das ist das stimmliche Geheimnis der ganz Großen! Dazu: Darstellerisch formidabel in der Interpretation sowohl einer Gesamt-Entwicklung als auch in spektakulären Details.

In Frankfurt hat er kongeniale Partner: Britta Stallmeister verleiht der Musica beschwörende Intensität; Marie Smolka ist eine stimmlich differenzierte Euridice; Katharina Magiera gibt der Proserpina leidenschaftlichen Ausdruck (am Abend singt sie auch die Messagiera – voller emotionaler Kraft); Magnus Baldvinsson intoniert den Caronte mit stupendem Volumen; Florian Plock lässt als Plutone mit beweglichem Bass balsamisch-energische Töne hören; Michael Nagy singt einen stimmlich variablen Apollo; und Anja Fidelia Ulrichs Ninfa vervollständigt das überwältigende Ensemble. Dazu die Madrigale und Pastore mit brillantem Solo-Gesang und musikalisch-intensiv im Kollektiv!

Genial die Wahl des Aufführungsorts: Im Bockenheimer Depot gibt es eine manegenartige Bühne mit dem Orchester in der Mitte und einem sich drehenden Rund nebst zweier kleinerer Plateaus an den Seiten. Christof Hetzer baut dazu zwei Tribünen für das Publikum – eine Gesamt-Szene mit kommunikativer Spannung, Aufmerksamkeit zentrierend und ohne überflüssige Accessoires. Grandios!

Dass Regisseur David Hermann den Orpheus in ein Cobain-Kostüm steckt, ihn von ekstatischen Fans umgeben lässt, den Caronte als Heino karikiert, die E-Gitarre zum Musik-Symbol stilisiert – das alles ist bloß eine Idee. Sie funktioniert nicht im Zusammenhang des Mythos, scheitert an Details, wirkt bisweilen platt anbiedernd -- stört aber weiter nicht.

Kompliziert ist es, das Bockenheimer Depot zu betreten: Schlange stehen vor einem ersten Zerberus, Schlange stehen vor einem Tresen für vorbestellte Karten (der sich dann als der falsche herausstellt), Schlange stehen an der Kasse, Schlange stehen an der Garderobe – so vergehen tötende 20 Minuten. Das Publikum braucht einige Zeit, um sich auf Musik und Gesang einzustellen, wird durch die Pop-Attitüde abgelenkt, versucht sich an Handy-Fotos, tauscht sich aus -- doch die Atmosphäre beruhigt sich, die Kommunikation Bühne-Auditorium funktioniert. Jubel am Schluss! (frs)

 




Fotos: Barbara Aumüller