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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
7. Mai 2009
(Premiere: 3. Mai 2009)

Oper Frankfurt


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Der Liebe nicht gewachsen

Die Menschen sind verstört, suchen Orientierung. Geschrieben wird die Zeit kurz vor der sogenannten „Machtergreifung“. Einige üben schon mal schüchtern den Heilsgruß, man weiß ja nie, was kommt. Aber Konsens ist, dass alle Ablenkung suchen und sich im dunkel ausstaffierten Lichtspielhaus kleine Alltagsfluchten leisten. Kino, vielleicht sogar großes, ist schon was Besonderes.

Dort hinein also verlegt Jens-Daniel Herzog, der frühere Mannheimer Schauspielchef, in der Oper Frankfurt seine Sicht von Richard Wagners Lohengrin, die eindrucksvolle Ausstattung (Bühnenbild, Kostüme) stammt von Mathis Neidhardt. Zum Vorspiel mit unterschwelliger Spannung starrt das Volk atemlos auf eine imaginäre Leinwand. Sind sie im falschen Film? Oder hat das Publikum den falschen Raum erwischt? Doch dann verselbständigen sich die Figuren und werden Handlungsträger. Film als Realität, die Menschen tauchen bühnenwirksam ein ins scheinbar reale Leben. Die Leute sind wetterwendisch. Mal jubeln sie dem seltsamen Lohengrin zu, der halbnackt zwischen den Kinoreihen auftaucht; doch zuvor hatten sie Telramund die Chance zur bösesten Anklage gegen die arme, naive Elsa gegeben und konnten nur mühsam von der Lynchjustiz abgehalten werden. Die Kinogänger sollen Stellung beziehen. Wem darf Glauben geschenkt werden? Wäre König Heinrichs Ruf nach Wehrhaftigkeit fürs „deutsche Reich“ das allein einigende Band?

Ein solcher durchaus bitterer, gleichzeitig aber auch optisch wirksamer und suggestiver, gesellschaftsbezogener Zugang birgt Tücken, zum Beispiel kann Herzog das uniforme Bühnenbild nicht bis zum bitteren Ende gleichermaßen stringent beleben. Doch berührt diese Inszenierung stark. Dazu tragen naturgemäß die gut besetzten Protagonisten bei, die Herzog als gebrochene Figuren zeigt. Michael König ist als Lohengrin ein Anti-Held, er steht regelrecht abseits, auch wenn er „Elsa, mein Weib“ jubelt. Sein Tenor versagt sich heldischer Attitüde, setzt ganz auf Differenziertheit. Er scheint der Liebe nicht zu trauen, als ob er eher mit seiner obskuren Gralsgeschichte beschäftigt sei.

Ein Glücksgriff ist dem Haus mit Elza van den Heever gelungen, denn ihre Partiegestaltung ist sängerisch eher schlank angelegt, und blühende Farben zieren ihren Sopran. Die Aura der Unschuld steht ihr ebenso gut zu Gesicht wie der Umschwung der Gefühle, wenn sie das Frageverbot missachtet. Schon Eva konnte sich im Paradies nicht zähmen. Das Gegenstück Ortrud, im bösen Schwarz kostümiert, wird von Jeanne-Michèle Charbonnet mit dramatischer Schärfe als Handlungstreiberin gesungen. Zuletzt war sie in Strasbourg die Brünnhilde. Stark im Ausdruck, wie sie das Gift kleinmütiger Neugier in Elsas Herz träufelt, und hart, wie sie sich den Schwächling Telramund gefügig macht. Robert Hayward gibt diesem Gedemütigten, der das russische Roulette mit Lohengrin verlieren muss, tragische Züge. Ein fremdbestimmter, unglücklicher Edelmann in Hosenträgern. Gregory Frank verlässt sich als König Heinrich ganz auf Wohllaut und Strömen seiner seriösen Bassstimme, während Johannes Martin Kränzle dem Heerrufer, hier als Faktotum mit Dienstmütze kostümiert, Substanz und Klarheit schenkt. Prächtig agiert der Chor (Matthias Köhler). Am Pult des groß aufspielenden Frankfurter Museumsorchesters zeigt Bertrand de Billy einen zugespitzten, akzentreichen Wagner, dem weihevolle Attitüde weggenommen wird zu Gunsten präziser musikalischer Zeichnung in Kongruenz zur Inszenierung.

„Mission impossible“ möchte man dem Paar zurufen, denn Elsa und Lohengrin können ihr Glück nicht erringen. Dem Abenteuer Liebe sind sie nicht gewachsen, weil sie noch reifen müssen. Die Inszenierung von Jens-Daniel Herzog macht diesen Aspekt plausibel. Wie in einem Film ohne Happy End.

Eckhard Britsch

 




 Fotos: © Monika Rittershaus