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Emotionsgeladen
In der intimen, werkstattmäßigen Atmosphäre des Bockenheimer Depots bringt
die Frankfurter Oper Haydns Hofoper "Die wüste Insel" in Kombination mit
der Kantate "Ariadne auf Naxos" für Mezzosopran als beeindruckendes psychologisches
Kammerspiel auf die Bühne.
Die Parallelen in der Geschichte der von Theseus verlassenen Ariadne und
der sich verlassen glaubenden Costanza legen die Kombination der beiden
Werke nahe, und sie erweist sich auch szenisch und musikalisch als schlüssig.
Das Bühnenbild von Benoît Dugardyn besteht aus einer sanft geschwungenen,
nach links ansteigenden hölzernen Treppe und einer Spiegelwand und liefert
so mit minimalen Mitteln einen harmonischen Raum für das Spiel, das sich
aus der Konzertsituation des Vorspiels entwickelt: Annette Stricker als
verzweifelnde Ariadne wird vom Dirigenten Roland Böer am Clavichord begleitet,
löst sich allmählich von dessen Seite und eröffnet den Blick in die seelischen
und räumlichen Dimensionen, in welchen sich der Abend bewegen wird, unterstützt
durch die warmen Lichteffekte von Olaf Winter und die historisch angelehnten,
geschmackvoll- eleganten Kostüme von Peter de Freitas.
Der Regisseur Guillaume Bernardi hat größte Sorgfalt auf die Gestik und
Mimik der Sänger verwandt und diese gekonnt mit den Affekten in Haydns
Musik verwoben. Der Bewegungsraum ist durch die Treppe zwar begrenzt,
doch nimmt man diese im Banne der Sänger gar nicht mehr wahr, sondern
folgt ihnen vielmehr durch innere Welten. Schon in der Ariadne- Szene
tritt Costanza auf und übernimmt nach gelungener Überleitung durch die
selbst am Clavichord spielende Ariadne das Thema ihrer Schwester im Geiste.
In den Arien der Costanza lässt sich dank Britta Stallmeisters engelsgleichem
Sopran wunderbar schwelgen, als neues bühnenbildnerisches Element kommt
eine Projektion der Inschrift, die sie in den Fels ritzt hinzu. Lebendiger
gestaltet sind die Szenen der Silvia dank der für sie vorgesehenen Rolle
als Naturkind, welches von Jenny Carlstedt mit großer Ausstrahlung und
Liebenswürdigkeit verkörpert wird. Außerdem darf sie sich in einer riesigen
Muschel, die nach dem Wegfahren der Spiegelwand zum Vorschein kommt, verstecken
und in süßer Naivität den ersten Mann ihres Lebens entdecken.
Die musikalische Gestaltung sowohl des Frankfurter Museumsorchesters mit
Roland Böer am Cembalo als auch der Sänger trägt wesentlich zur Spannung
des Abends bei, denn hier wird in großer Bandbreite musiziert und genauestens
auf den Affekt abgestimmt.
Die schon erwähnten vorzüglichen Frauen stellen die ebenfalls exzellenten
männlichen Kollegen lediglich auf dramatischer Ebene in den Schatten,
stimmlich glänzen sowohl Yves Saelens mit flexiblem Tenor als auch Nathaniel
Webster mit jugendlich warmem Bassbariton.
Aufgrund der nahtlosen Übergänge der Szenen bekam das Publikum während
des Stückes kaum Gelegenheit zu Zwischenapplaus, bedankte sich am Ende
aber ausgiebig mit Bravi für die Ausführenden und das Regieteam. Besonders
die beiden Mezzosopranistinnen wurden für ihre ausdrucksstarke Rollengestaltung
bejubelt. Bleibt noch zu erwähnen, dass die Leistung der Künstler bei
einem wüstenähnlichem Raumklima gar nicht genug gewürdigt werden kann.
(if) |
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