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Fakten zur Aufführung 

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)
1. Juni 2008 (Premiere)

Oper Frankfurt


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Aus der Tiefe des Raums

Wie sieht er aus, der Vorhof zur Hölle, zum Kerker, in dem die Unschuldigen schmachten? In Frankfurt, bei der Neuinszenierung von Beethovens „Fidelio“, hat Regisseur und Bühnenbildner Axel Harb, der die Konzeption der erkrankten Christina Paulhofer umsetzte, den Bühnenraum als gelben Kubus verkleidet, in dem sich einige Wartesaal-Stühle verlieren und zwei Aufzugstüren nichts Gutes verheißen, wenn die Gefangenen in Alltagskleidung (Kostüme: Henrike Bromber) aus ihnen herausschlendern, scheinbar unberührt von ihrer schicksalhaften Situation. Und mittig auf einer kargen Bank sitzt mit dem Rücken zum Publikum eine armselige Kreatur. Florestan, wie sich später herausstellen wird.

Alltagssituation; es schmeckt ein bisschen nach Finanzamt oder Handelskonzern-Foyer, die Leere kann sich allenfalls mit unguten Gefühlen füllen. Bedrohlich oder belanglos, das ist hier die Frage, die vom Premierenpublikum mit wütenden Buhrufen fürs Inszenierungsteam beantwortet wurde. Überhaupt stand die Produktion zum Saisonschluss unter eher ungünstigem Stern, denn Christina Paulhofer, die etablierte Schauspielregisseurin (Bochum, Berlin, Zürich), sagte wegen Erkrankung ab. Es wäre ihre erste Opernregie gewesen, was der scheidende Generalmusikdirektor Paolo Carignani kritisiert hatte. Seine Konflikte mit Intendant Bernd Loebe, über die lange spekuliert wurde, hat Carignani jetzt im Interview mit dem Hessischen Rundfunk öffentlich gemacht. Der italienische Dirigent gilt zwar als aufbrausend, doch dass er die Oper und das Museumsorchester während der letzten zehn Jahre musikalisch erheblich nach vorne brachte, steht außer Zweifel.

So war denn auch die Musik das Premieren-Ereignis, weil Paolo Carignani in seiner letzten Frankfurter Opernproduktion wunderbar hochherzig und feinfühlig zugleich „seinen“ Beethoven ausdeutete und das Museumsorchester die Verbundenheit mit dem Dirigenten bestens ausdrückte: Dieser Klangkörper spielte in allen Instrumentengruppen auf seinem höchsten Niveau und setzte Carignanis Vorstellungen pointiert und in ausgezeichneter Klanglichkeit um. Das Gesangsensemble stand dem kaum nach. Allen voran die an der Met erprobte Erika Sunnegardh als Leonore, deren perfekt geführter Sopran durch Klarheit und schlanke Höhen auch in den dramatischen Aufwölbungen besticht. Darstellerisch, in Hosenanzug und grünem Top, gibt sie der Figur starke Ausstrahlung. Ihr zur Seite mit Michael König ein anrührender Florestan, während James Creswell einen sehr gütigen Rocco abgibt. Johannes Martin Kränzle lässt in der Partie des Don Pizarro ein wenig die Abgründigkeit vermissen, singt fast „zu schön“. Britta Stallmeister gefällt als selbstbewusste Marzelline, Jussi Myllys als schlaksig-cooler Jaquino, und Franz Mayer ist als Don Fernando ministrabel.

Am Ende streben die glücklich befreiten Menschen als Geschwister der Sonne entgegen, die aus der Tiefe des Raums beinahe so schön glüht wie in der abendlichen Toskana. Zuvor hatten sich Florestan und Leonore am herabschwebenden Einfamilienhäuschen delektiert, das die Regie wohl als Ironisierung von Beethovens idealer Vorstellung einer Gattenliebe ins Bild brachte. Der Gag allerdings schien leicht missglückt.

Eckhard Britsch

 






Fotos: Barbara Aumüller