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Fakten zur Aufführung 

FAUST
(Charles Gounod)
6. Februar 2005 (Premiere)

Oper Frankfurt

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Ansprüche an Gott

„Dieser Gott – was tut er für mich?“ Fausts hypertrophe Frage wird zum beklemmenden Topos der Frankfurter Inszenierung Christof Loys von Gounods „Faust“. Er überlagert die gestörten Lebensgefüge der dramatis personae, was sich im existentiellen Selbstzweifel (auch Gretchens) zu transzendierender Spiritualität steigert: Gounods „Faust“ gelangt durch diese inszenatorische Konsequenz zu klassischer Größe. Das zwischenmenschlich-gestörte Beziehungsgeflecht wird in Posen distanzierter Nähe nachvollziehbare Bühnenrealität, bleibt aber in zentralen Szenen in opernhafter Statik bloße Behauptung.

Die realistisch-kühle Bühne Herbert Murauers verweist auf die konkrete aktuelle Gültigkeit, verblüfft mit überraschenden Räumlichkeiten (Altersheim als Fausts Domizil) und schafft kommunikative Räume für das turbulent-intensive Agieren von Solisten und Chor. Das wird vor allem von den imaginativen Balletszenen Jacqueline Davenports bravourös genutzt.

Johannes Debus greift mit dem hellwachen Frankfurter Museumsorchester die angebotenen szenischen Konstellationen auf: Gounods Musik wird nicht nur mit ihrer bezwingenden Melodik hörbar, vielmehr funkeln die verborgenen Glanzlichter instrumenteller Brillanz – und es werden Schichten dämonischer Bedrohung hervorgehoben, die im gängigen Gounod-Klischee gewöhnlich im schmelzenden Klang untergehen.

Die Solisten verbreiten in ihren Ausstellungs-Arien den Glanz der berauschenden Kantilenen, identifizieren sich mit ihren archetypischen Rollen und sind überzeugende Repräsentanten gescheiterter Lebensentwürfe und blasphemischer Gott-Bezüge. Doch bleibt vieles zu statuarisch, die angelegten zwischenmenschlichen Bezüge mit ihren emotionalen Brüchen verbleiben opernhaftes Agieren und problematorisches Singen.

Andrew Richards ist ein zweifelnder Faust, auch als jugendlicher Schnösel, mit durchaus strahlendem Tenor; Mark S. Doss ist ein omnipräsenter Méphistophélès mit stimmstarken Bariton; Nina Stemme gibt der Marguerite fast wagnerische Statur: verletzlich im Spiel, tiefgründig in den differenzierten Klängen, erschütternd in ihren unbegriffenen Lebenssituationen, ergreifend in ihrer Verweigerung am Schluss; Željko Lučić beeindruckt mit melodisch-strömendem Bariton und zeichnet einen selbstgerecht-bigotten Valentin. Das Frankfurter Ensemble – mit einer unbürgerlich-penetranten Elzbieta Ardam als Marthe Schwerdtlein, einem hilflos-sensiblen Siebel der Jenny Carlstedt und einem hörenswerten Florian Plock als aggressiv-angepassten Wagner – beweist außerordentliche Spielfreude, Rollenidentifikation und stimmliche Kompetenz: bewundernswert!

Das Frankfurter Premieren-Publikum – die üblichen Repräsentanten ihrer selbst, die engagierten Opern-Freaks – feiert das vielschichtig-anspruchsvolle Ereignis mit Leidenschaft. Offenbar auch vorbereitet durch eine intensiv-umfassende Vorberichterstattung in der regionalen Presse; nachzulesen auf einer Pinnwand mit Beiträgen in Blättern von Bild (!) bis FAZ. Ein offenbar nicht folgenloser Triumph der PR des ambitionierten Hauses – Glückwunsch! (frs)


Fotos: © Monika Rittershaus