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Fakten zur Aufführung 

DAPHNE
(Richard Strauss)
26. März 2010 (Premiere)

Oper Frankfurt


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Die Seele als Gefängnis

Idylle pur? Doch dringt das Leben durch den schützenden Panzer, den Daphne um sich gelegt hat. Eine zauberische junge Frau möchte im verpuppten Zustand bleiben, in einem träumerischen Nirwana, wo sie sich eins mit der Natur fühlt. Leukippos aber, nach heutiger Bezeichnung ein Sandkastenfreund, begehrt sie heftig nach seinem Erwachen der Männlichkeit, und Apoll nicht minder. Zum dionysischen Weinfest lässt er sich von der allgemeinen Brunst, vom Herdentrieb ausgelöst, anstecken, und die „bukolische Tragödie“ von Richard Strauss nimmt ihren Lauf. Bei der halbherzig ausgerichteten Party kommt es zum tödlichen Eklat unter den Rivalen um die Gunst der Daphne, deren unschuldige Anmut anscheinend zwangsläufig das Unheil der Begierde auslöst.

Kann ein einziges Schlüsselerlebnis ausreichen, um einen Menschen lebenslang zu traumatisieren? Bei Daphne ist es ein Kuss, den Claus Guth in seiner Inszenierung an der Frankfurter Oper als Synonym der Vergewaltigung auffasst. Seine Sicht der Dinge versetzt das Stück aus der mythologischen Distanz in eine psychoanalytisch auslotende Jetztzeit, die Paradies und Hölle nicht mehr trennen mag, sondern als zwangsläufige, gegenseitige Bedingtheit des Lebens darstellt. Folgerichtig stellt die Regie dieser zarten Figur eine bekümmerte und verkümmerte alte Daphne (Corinna Schnabel in stummer Rolle) zur Seite, die humpelnd am Stock durch ihr wüstes Haus irrt, dessen Auflösungserscheinungen Bühnenbildner Christian Schmidt mit kühlen Schrankwänden und abblätternder weißer Wandfarbe in sinnig ausgestalteten Bauten auf der Drehbühne dokumentiert. Dieses Haus wird für Daphne zum seelischen Gefängnis, das keine Aussicht auf Befreiung bietet, sondern nur noch das Dahinkümmern, einer Pflanze gleichend, der Licht, Luft und Wasser fehlen.

Während bei Strauss und seinem Librettisten Joseph Gregor die Daphne immerhin als Lorbeerbaum-Metamorphose eins mit der Natur wird, und damit so etwas wie Hoffnung keimt, lässt Guth seine Daphne pantomimisch verstummen, im Einklang mit der Gesangslinie von Richard Strauss. Die Inszenierung hinterlässt einen sehr durchdachten, in sich stimmigen Eindruck, wenn sie die Frage aufwirft, ob Daphne in ihrer Unschuld deshalb das Desaster auslöst, weil Weltabgewandtheit der Welt nicht gerecht wird. Beim Premierenpublikum stießt die Neuproduktion auf nachhaltige Zustimmung und sehr viel Beifall.

Der galt natürlich wesentlich einer musikalisch tadellosen, ja stellenweise wundeschönen Realisierung, denn Sebastian Weigle führte das Museumsorchester farbenreich zu intensiver Klangrede. Das differenzierte Ausdeuten der Partitur ging einher mit kongruent-sensibler Sängerführung. Maria Bengtsson schöpft die Möglichkeiten der Titelfigur überzeugend aus, wenn sie jungmädchenhafte Anmut über innige Momente in die Verstörung einer Frau transformiert, deren Lebensrahmen zerbricht. Ihr Sopran leuchtet in allen Verästelungen, die Strauss hineinkomponiert hat.

Etwas blass blieb Lance Ryan als Apollo, weil sein Heldentenor krankheitsbedingt nicht die gewohnte Strahlkraft entwickelte. Beinahe wäre die Premiere geplatzt, doch der Sänger ließ sich durch ärztliche Kunst noch in Bühnenform bringen; das Publikum dankte ihm herzlich für diese Kraftanstrengung. Feine Lyrismen hatte Daniel Behle für den Leukippos parat, prächtig strömte der seriöse Bass von Matthew Best als verunsicherter Peneios, und der edle Mezzo von Tanja Ariane Baumgartner schenkte der Premiere eine beeindruckende Gaea. Tadellos hatte Matthias Köhler den Männerchor formiert. Die relativ selten gespielte Strauss-Oper in einem Aufzug bewies in dieser Inszenierung ihre absolute Bühneneffizienz.

Eckhard Britsch

 









Fotos: Barbara Aumüller