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Fakten zur Aufführung 

ARIANE ET BARBE-BLEUE
(Paul Dukas)
10. Februar 2008 (Premiere)

Oper Frankfurt


Points of Honor                      

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Vom falschen Leben

Das Märchen vom frauenmordenden Unhold ohne den Mythos vom ewig haftenden Blut - stattdessen ein Monolog über die Illusion der Befreiung. Maurice Maeterlincks Vorlage fokussiert das Geschehen auf den Versuch Arianes, die eingekerkerten Frauen Blaubarts zu befreien. Ariane – wie die mythologische Ariadne , Blaubart – fixiert in seinem System, die Frauen – gefangen im akzeptierten Verschluss; draußen das Volk – Rebellion verkündend: alles Symbolik, alles auf seelische Kräfte fixiert.

Die grandiose Musik von Paul Dukas (1907) schöpft aus den Klangwelten Wagners, verweist auf Strauss-Eruptionen, verströmt sinfonische Energie, mischt divergierende Klangfarben, kontrastiert Chor, Ensembles und Solo-Partien. Paolo Carignani und das Frankfurter Museumsorchester vermitteln diese symbolträchtigen Tonfolgen in höchster Intensität – orchestral perfekt, dabei mit immensem Gespür für die permanenten „versteckten“ Artikulationen der Innerlichkeit.

Katarina Karnéus trägt mit ihrem fulminanten Ariane-Monolog die gesamte Aufführung: mit ihrer ungemein wandlungsfähigen Stimme gelingen ihr überzeugende Passagen emotionaler Intensität, mit kraftvollen Höhen vermittelt sie die Aura der Rebellion, verfällt dabei aber nie in den Duktus veristischer Direktheit, sondern phrasiert im Sinne geheimnisvoller Seelenkräfte. Julia Juon ist eine verzweifelt warnende Amme, darstellerisch ausdrucksstark zurückhaltend, stimmlich mit hinreißender Ausstrahlung. Dietrich Volles Blaubart ist verhalten-aggressiv, vermittelt neben zwanghaftem „Weitermachen“ die Resignation des Scheiterns. Stella Grigorians Sélysette vertritt die gefangenen, gehorsamen, jugendlich-unbegriffenen, innerlich leeren Frauen – ein geschmeidiger Sopran, ohne Härten, aber mit der Fähigkeit zur deutungsreichen Ambivalenz der Gefühle. Mit Barbara Zechmeister als verstörte Mélisande, Britta Stallmeister als Ygraine und Nina Schubert als Bellangère agieren und singen Sänger-Darstellerinnen mit höchster Kompetenz und mit dem „Geheimnis“ unaussprechlicher Gefühle.

Großartig der Chor der Frankfurter Oper (Leitung Alessandro Zuppardo) mit geradezu revolutionärer Wucht – quasi ein Korrektiv zu den komplex-verschlüsselten Klängen der Solisten.

Sandra Leupold inszeniert konsequent im Sinne der Abwesenheit von Handlung, getragen von der Idee der Unmöglichkeit von Befreiung im falschen Leben (in dem es ja kein „richtiges“ gibt !). Die Frauen sind individualisiert, finden nicht zur „Solidarität“, finden in Verdoppelungen sowohl Ausdruck für den offenbar unendlichen Prozess der Unterwerfung als auch für den Wunsch nach glamourhafter „Attraktivität“ als Ausdruck eines unbegriffenen „Glücks“. Das wirkt in der statischen Künstlichkeit der Bewegungen hoch abstrakt, ist dem intellektuellen Konzept mehr verpflichtet als dem Versuch, eine „Geschichte“ zu erzählen und das Publikum emotional zu bewegen.

Eva-Mareike Uhlig schafft für die Frauen phantasievoll-erotisierende Kostüme, Ariane dagegen im kargen Outfit. Die Bühne wird beherrscht von einer riesigen Wand aus Plastik-Segmenten, in denen die Frauen hängen, sich mühselig lösen und abschließend zurückkehren. Dirk Becker schafft die durchaus verstörende Metapher für dramatische Burgruinen mit düsteren Verliesen und blutüberströmten Opfer. Peer Engelbracht vermittelt da mit flirrenden Video-Sequenzen in rot und violett für huschende optische Impressionen.

Das so selbstbewusste, sich kenntnisreich gebende Frankfurter Premieren-Publikum hat offensichtlich Probleme, sich mit der artifiziellen Präsentation symbolistischer Inhalte anzufreunden. Doch es überwiegt der Respekt vor einer konsequent erarbeiteten Konzeption, einem Werk voller Rätsel, einer facettenreichen Musik und großartigen Solisten. Das Angebot für Phantasie und Reflexion wird in den folgenden Aufführungen sicherlich größeren Zuspruch erfahren. Dennoch: Heftiger Applaus – auch für das Regie-Team. (frs)

 

 






Fotos: Wolfgang Runkel