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Fakten zur Aufführung 

ARABELLA
(Richard Strauss)
29. Januar 2009
(Premiere: 25. Januar 2009)

Oper Frankfurt


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Dahin ist das Walzerglück

Die Welt ist klein, und immer trifft der Mensch auf Umstände, die wie Ebbe und Flut in Regelmäßigkeit über uns hereinbrechen. Es ist schon außerordentlich witzig, wenn in Frankfurt die Oper „Arabella“ von Richard Strauss auf dem Spielplan steht, in der ein Mann sein Geld verzockt hat und nicht mehr richtig weiter weiß. Gegenüber dem Opernhaus prunkt das Euro-Zeichen als Garant dafür, dass die Europäische Zentralbank den Bürger vor Inflation schützen will. Perfekt. Das Glas Pinot Grigio wird im Pausen-Foyer für flotte sechs Euro angeboten. Klingt schon beinahe wie Deflation, oder? Aber das Publikum ist fröhlich und hat auch mancherlei Gründe dafür. Wer bietet mehr auf diesem Tanz der Eitelkeiten? Wer tanzt am schnellsten Walzer mit der schönen Arabella?

Die wird in der Inszenierung von Christof Loy hinreißend gesungen und gespielt von Anne Schwanewilms, weil sie ihre bestens austarierte Stimme in feinsten emotionalen Schattierungen aufblühen lässt und Richard Strauss dem Hörer als idealen Komponisten für die menschliche Stimme suggeriert. Die Kongruenz von Klangregistern und seelischen Schwingungen dieses mit viel Potenzial ausgestatteten Soprans ermöglicht es der Darstellerin Schwanewilms, das Innerste dieser Figur voller Zartheit und – bei Bedarf – Koketterie auszuschöpfen. Christof Loy mag sich glücklich schätzen, denn seine Sicht der Dinge verdient eine optimale Besetzung. Er liebt kühl gegliederte Räume, die suggestiv-fokussierte Personenführung ermöglichen. Herbert Murauer hat ihm dafür ein Bühnenbild hingestellt, dessen Schiebewände den Blick ins schäbige Hotelzimmer plus Nebengelass ermöglichen, aber auch den Sturz ins Dunkel imaginieren, in dem die Menschen ihr Selbst suchen und erkennen können.

Loy gelingt eine bewegende Gratwanderung in einem Stoff, der ebenso eine Operette zieren könnte, wenn der abgewirtschaftete Papa Rittmeister (Alfred Reiter mit charaktervoller Bass-Ausstrahlung) nur noch per Heirat der Tochter Arabella saniert werden könnte, hin zur Deutung einer durch die literarische Feingeistigkeit des Hugo von Hofmannsthal beflügelten Musik, in der Ernst und Parodie, Zauber und Deftigkeit, überbordende Instrumentierung und beseelte Kantilene in Bezug zu setzen sind. Eine elegante Natürlichkeit durchzieht die Produktion, die einen schmunzeln lässt und gleichzeitig ob der Wahrhaftigkeit der Personenzeichnung anrührt. Wie Rittmeister Graf Waldner um seine letzte Chance in der Gesellschaft kämpft, wo er doch jeden Kredit schon verspielt hat, so liegen heiterer Scherz und drohende Privatinsolvenz nahe beieinander. Und wie seine Gattin Adelaide (punktgenau: Helena Döse) verzweifelt um den schönen Schein und Contenance ringt, so spürt man ein menschliches Drama hinter der für den entscheidenden Faschingsball aufgeplusterten Pose.

Arabella sucht einen Mann. Wohl kaum, um dem Papa aus der Klemme zu helfen, sondern um ihrer selbst willen, sie will erwachsen werden. Der Mann ihrer Träume wird dann ganz anders sein als in Jungmädchenphantasien, was die Regie wunderschön herausarbeitet. Mandryka, reicher Grundbesitzer vom Lande, war von ihrem Bildnis fasziniert und will seine Sehnsucht wahr werden lassen. Aber er muss eine Wandlung durchmachen, um sich in der von Intrigen knisternden „feinen“ Wiener Gesellschaft, die zur Pose erstarrt ist, zurechtzufinden. Robert Hayward profiliert ihn mit emotional geführtem, allerdings leicht flackerndem Bariton und glaubwürdiger Ausstrahlung. In der Riege starker Ensemble-Besetzung fällt vor allem Britta Stallmeister auf als Zdenko/Zdenka: burschikos in der Hosenrolle, zart in der Verwandlung als liebendes Mädchen. Richard Cox zeigt aus stabilem Tenor heraus einen Jäger-Leutnant mit der typischen Eindimensionalität seiner Zunft, zumindest damals im Wien der Donaumonarchie. Ach ja, die hatten doch schon 1873 eine veritable Finanzkrise. Brillante Koloraturen und doppelbödiges Spiel serviert Susanne Elmark als Fiakermilli.

Sebastian Weigle, seit dieser Saison Generalmusikdirektor in Frankfurt, schöpft mit dem ausgezeichnet disponierten Museumsorchester den Reiz der Partitur aus. Nicht in Richtung überfeinertem Geschmack, sondern als doppelbödige, zuweilen (zu) heftig aufgeladene Musik, deren illusionäres Walzerglück dahin ist, die aber gerade deswegen für die Zeichnung menschlicher Befindlichkeiten knapp an der Katastrophe vorbei bestens taugt. – Das Publikum goutiert diese „Arabella“ herzlich.

Eckhard Britsch

 






 
Fotos: Monika Rittershaus