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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)
19. Juli 2008
(Premiere: 11. Juli 2008)

Eutiner Festspiele


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Elisabeth zu den Sternen!

Das ist – für Solisten und Publikum – gewöhnungsbedürftig: Wagner mit einem überdeckten Orchester, die Bühne offen zum freien Himmel, die Sänger ohne akustischen Schutz, das Publikum 45 Minuten lang dem Regen ausgesetzt, bis der bewölkte holsteinische Abendhimmel Ruhe gibt, aber dann am späten Abend die kühl-feuchte Luft des Eutiner Sees klamme Atmosphäre verbreitet. Doch 1 500 Opern-Enthusiasten in bunten Regen-Umhängen folgen gebannt den Geschichten des künstlerisch-verstrickten Tannhäuser, der liebend-hingegebenen Elisabeth – und ihrer beide Liebestod.

Kay Kuntze verzichtet auf Sex-Spiele im Hörselberg, lässt die „Venus“ vielmehr aus einem riesigen Pianoforte im Off als die Verführerin leidenschaftlicher künstlerischer Ambitionen hören; konfrontiert ästhetisches Wollen mit naiver Liebe, kruder Realität (die Landgrafen-Gesellschaft), nachvollziehbaren Empfindungen (Wolfram) und gibt dem Hirten eine – verzweifelt-hoffnungslose – Vermittler-Funktion. Elisabeth steigt – wie in der alten Mythologie – auf zu den Sternen, Tannhäuser vermag ihr nicht zu folgen.

Die Naturbühne mit imaginativ beleuchteter Baum-Kulisse (Licht: Klaus Emil Zimmermann) akzentuiert einen Riesen-Flügel als charismatisch-wandlungsfähigen Ort symbolischer Handlungen; Achim Römer nutzt dazu die wandlungsfähigen Seiten-Elemente der Eutiner Bühne für wechselnde atmosphärische Stimmungen.

Aus dem überdeckten Graben klingt – bayreuth-ähnlich, aber ohne die kalkulierte Akustik des festen Hauses – ein eher mulmiger Mischklang ohne Chance für große Emphase und höchste Transparenz. Roman Brogli-Sacher (GMD Lübeck) leitet die zuverlässigen Hamburger Symphoniker zu ausgewogenem Spiel und unterstützt die Solisten mit viel Einfühlungsvermögen, interpretiert einen nicht-pathetischen Wagner-Klang mit narrativem Duktus – dem Ort und dem Konzept hoch angemessen!

John Treleaven gibt dem Tannhäuser heldentenoralen Glanz, fasziniert mit einer großartigen Rom-Erzählung, wird stimmlich mit dem feuchten Klima fertig – und erntet begeisterten Applaus, zumal er kürzestfristig für den erkrankten Stefan Vinke einspringt! Stephanie Friede überzeugt als unschuldig-leidenschaftlich liebende Elisabeth, bezaubert mit einem ungemein wandlungsstarken Sopran, artikuliert auch in den Piani mit diffizilen Schattierungen, vermittelt anrührende Gefühle einer liebenden jungen Frau. Alexander Marco-Buhrmester gibt einen verhalten-leidenschaftlich-entsagenden Wolfram, im distinguierten Fischer-Dieskau-Stil – kultiviert in der Artikulation, differenziert in der vollkommenen Phrasierung, emotional einfühlsam den Ton auf dem Atem präsentierend – und das in feuchter Kühle! Veronika Waldner singt die Venus – verstärkt – aus dem Off – intensiv modulierend mit äußerster stimmlicher Disziplin. Nadine Lehner gibt dem Hirten impulsiv-erfrischenden Klang; und die Sänger überzeugen mit charakteristischem Ausdruck: Ferdinand Steinhöfel ist ein ungemein ausdrucksvoller Walther; Matthias Klein, Harald Meyer und Benno Schöning geben ungewöhnlich stimmstarke Biterolf, Heinrich und Reinmar; der alte Haudegen Hartmut Bauer verleiht dem Landgrafen bemerkenswerte Statur.

Die Eutiner Festspiele haben mit diesem Tannhäuser die Herzen des Publikums gewonnen – und ein Zeichen für die sängerische, musikalische und inszenatorische Qualität von Opern „open air“ gesetzt. Was Bregenz „im See“ ist Eutin „im Wald“! (frs)







Fotos: Foto agenda/Michael Kottmeier