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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
24. Mai 2009 (Premiere)

Aalto-Theater Essen


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In den Trümmern der eigenen Welt

Der Jubel nach Opernpremieren im Aalto-Theater gleicht seit Jahren eigentlich immer einem mittelschwerem Orkan. Doch was sich nach Richard Wagners Walküre entlud, war geradezu ein Vulkanausbruch: mit Salven von „Bravi“ wurden Sänger und Musiker nur so überschüttet. Und selbst er, der in Essen schon schroffste Ablehnung hat erfahren müssen, wurde diesmal gefeiert wie ein König: Regisseur Dietrich Hilsdorf.

Was hat er gemacht? Auf einer riesigen Bühne, die Dieter Richter als reichlich heruntergekommenen Festsaal hergerichtet hat – ein protziger Ort der einst unangefochten herrschenden Oberschicht - inszeniert Hilsdorf... ein Kammerspiel! Mit ganz wenigen Mitteln, aber unglaublicher Dichte. Wotan steht als erstes im Zentrum. Der Gott also, der, wie er selbst es formuliert, „in den Trümmern seiner eigenen Welt steht“. Geknebelt durch Verträge, moralisch in die Pflicht genommen von seiner Frau Fricka. Brünnhilde ist die zweite zentrale Figur, die ihrer grenzenlos scheinenden Menschlichkeit nachgibt und Siegmund und Sieglinde rettet, dafür mit der ganz unmenschlichen Verbannung bestraft wird. Brünnhilde ist es auch, der Wotan sich anvertraut und ihr seine große Not bekennt. Ein ganz großer Augenblick dieser Inszenierung – wie später Wotans Abschied und der anschließende Feuerzauber. Aber auch Siegmunds und Sieglindes Liebeszene wird unnachahmlich intim arrangiert. Das berührt zutiefst!

Hilsdorf hat das riesige Glück, im Aalto-Theater mit Sängerdarstellern arbeiten zu können, die eine wahnsinnige Ausstrahlung mobilisieren, auch ohne Einsatz großer Bewegung, ohne überzogene theatralische Posen. Hier entwickelt sich enorme Wirkung durch minimale Handlung, unterstützt durch Renate Schmitzers großartige Kostüme und Jürgen Nases subtile Lichtregie.

Vor allem stehen schlichtweg grandiose Wagner-Interpreten auf der Bühne. Catherine Foster als Brünnhilde: eine überragende Stimme, die markerschütternd ihrem Herrn Wotan Paroli bietet, genau so gut in tiefstes Schluchzen verfallen kann. Danielle Halbwachs als Sieglinde lässt ihren zutiefst menschlichen Regungen freien Lauf, als sie ihren Bruder Siegmund in die Arme schließt. Den gibt Jeffrey Dowd mit einer Selbstverständlichkeit, die nichts spüren lässt von den enormen Anforderungen seiner Partie. Gleiches gilt für Egils Silins und seine absolute Meisterleistung als Wotan – ein singuläres Ereignis! Silins Bariton kennt keine Konditionsschwächen, zeigt eine elektrisierende Präsenz bei jedem Ton, selbst im zartesten Piano. Marcel Rosca als fieser Hunding ist ganz in seinem Element. Ildiko Szönyi verkörpert die gebieterische Fricka, an deren Weisungen selbst der Götterchef nicht vorbeikommt.

Und noch ein Star wird am Premierenabend gefeiert: die Essener Philharmoniker! Dass im Aalto-Graben auf höchstem Niveau gespielt wird, ist ja längst bekannt. Aber was sich hier in Wagners Walküre mit Stefan Soltezs am Pult ereignet, ist schlichtweg sensationell und treibt den Adrenalinspiegel in kaum für möglich gehaltene Höhen. Essen wird an diesem Abend zur Wagner-Kulturhauptstadt 2009!

Das Premierenpublikum ist zum überwiegenden Teil ergriffen und erkennt, was sich an diesem Abend ereignet. Manche aber kehren der Bühne nach dem Schlussakkord auch sofort den Rücken zu. Und dann gibt es eine nicht unerhebliche, gleichwohl überschaubare Anzahl von rüpelhaften Buhrufern, die das Aalto-Theater womöglich mit dem Stadion von Rot-Weiß zu verwechseln scheinen.

Christoph Schulte im Walde

 










 
Fotos: Thilo Beu