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Fakten zur Aufführung 

TURANDOT
(Giacomo Puccini)
23. September 2007 (Premiere)


Aalto-Theater Essen

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Chöre!!

Opernchor, Extrachor, Kinderchor - Turandot wird in Essen zur Chor-Oper: stimulierend im kollektiven Klang, dabei aggressiv, auftrumpfend, resigniert, mitleidsvoll, gnadenlos intonierend – und das alles mit faszinierender Synchronität der exzellenten Einzel-Stimmen! Alexander Eberle führt die differenzierten Gruppen zu höchster gesanglicher Perfektion.

Die Essener Philharmoniker sind – wieder einmal – ein Orchester mit stupender Sensibilität für komplexe Klangnuancen. Unter dem – wie immer – dominant-einfühlsamen Stefan Soltesz ist eine Puccini-Musik zu hören, die keinen Effekt auslässt, aber den vielfach gebrochenen Duktus einer genialen Komposition mit ihren frappierend integrierten Stil-Einflüssen zum überwältigenden Hörerlebnis werden lässt. Die Musik vermittelt das Drama um das Geheimnis von Liebe und Tod, von Machtgier, blutigen Traditionen und brutaler Konfrontation.

Die Solisten haben da einen schweren Stand: Irene Theorin braucht für ihre Turandot eine lange Anlaufzeit, um über hektische Schärfen zu einem dramatisch-authentischen Klang zu finden. Dario Volontes Kalaf wirkt über Gebühr bemüht, findet auch erst gegen Schluss zu befreiter Artikulation, und sein Nessun Dorma ist weniger durch triumphale Höhen als durch eine energisch-voluminöse Mittellage charakterisiert. Olga Mykytenko gibt der Liu hochdramatische (!) Töne mit staunenswerter Stimmsicherheit, brillanten Höhen und einem geradezu faszinierenden Legato. Diogenes Randes gibt dem Timur kraftvoll-überzeugenden Charakter; Werner Sindemann überzeugt als schwächelnder Altoum; Marcel Rosca vertritt die Rolle des Mandarins mit würdevollem Gesang; und Heiko Trinsinger, Albrecht Kludszuweit und Andreas Hermann sind stimmlich variable Ping, Pang, Pong mit gelungenen Phrasierungen – und mit fantastisch-authentischem Italienisch!

Tilman Knabes Inszenierung lebt vom Griff in die Provokations-Schablone, verlegt die Handlung in die Olympia-Baustelle in Beijing (Bühne Alfred Peter), lässt Liu als Mülltüten-verkleidete Madonna erstarren (Kostüme von Kathi Maurer), legt die Turandot-Opfer als blutbeschmierte Tote auf die Bühne, spielt die Vergewaltigungs-Szene Kalaf-Turandot aus und konfrontiert das Klischee des chinesischen Regimes mit den Black-Power-Gesten der 60er Jahre. Das wirkt alles wie die schlechte Adaption des „brutalen Theaters“ – ohne historisches Verständnis, ohne kommunikative Stringenz, vor allem ohne Interesse für die Emotionen der Personen und ohne Einsicht in kollektives Handeln.

Das Essener Publikum verfolgt eine spannend-undurchsichtige Geschichte mit Interesse, bejubelt Orchester, Chöre und Solisten durchaus abgestuft – und bis auf ein paar lautstarke Buhs gibt es keine Reaktion auf die um Krawall buhlenden inszenatorischen Unzulänglichkeiten – und das ist gut so. (frs)

 

 

 


Fotos: © Jörg Landsberg