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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)
4. April 2008
(Premiere: 29. März 2008)

Aalto-Theater Essen


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Es bleibt der Tod

Die Essener Aalto-Oper ist die „Staatsoper des Ruhrgebiets“, allerdings ohne die andernorts üblichen blasierten Verweise auf gehabte Traditionen. Der Tannhäuser bietet avanciertes Musiktheater, provoziert mit einer ungewöhnlichen Sicht auf das Werk und die Welt in der wir leben, fasziniert mit einem reflektiert neuen Wagner-Klang, präsentiert außergewöhnlich innovative Gesangs-Kunst - und bietet eine faszinierende Form des aktuellen „Gesamtkunstwerks“!

Hans Neuenfels geht es um Erinnerungen, um existenzielle Lebensstationen. Tannhäuser in der Satansmesse (statt im Venusberg), der Wartburg-Wettbewerb im klaustrophoben Mönchs-Ambiente, die Schlussszene in der Psychiatrie - dazu Wagner und der Kinni als stumme Figuren, vom Doppelbock-Förderturm aus beobachtend – den nihilistischen Ablauf verfolgend, hoffend auf den Tannhäuser, den er der Welt noch schuldig ist, und der „was Neues“ anstreben kann, nicht nur den Tod. Vielleicht ist der so unbeirrt hoffende Wolfram sein alter ego.

Der tiefschürfende Neuenfels hat in Reinhard von der Thannen einen kongenialen Partner: Seine sparsam akzentuierenden Bühnenelemente – Tische und Stühle, weiße und schwarze Engel, Krankenbetten, Madonnenbild im Rasen-Viereck – verweisen auf Erinnerungen, die im Nichts enden und ermöglichen stimulierendes Bühnenhandeln.

Danielle Halbwachs ist die todessüchtige Elisabeth, singt mit hinreißendem Ausdruck, vermittelt mit geschmeidiger Mittellage und reinen Höhen den Charakter der unberührbaren Unschuld. Stephen Gould ist darstellerisch nicht auftrumpfend ein konsequent in den Tod gehender Tannhäuser, stimmlich kontrolliert, ohne heldentenorale Ambitionen, in der Rom-Erzählung von beeindruckender Erlebnisverarbeitung. Heiko Trinsinger ist der Gegenpol Wolfram – sein Lied an den Abendstern ist weitab von jedem Wunschkonzert-Schmalz, interpretiert vielmehr die Hoffnung auf menschlich existenzielle Alternativen zur Unerbittlichkeit des gnadenlosen Todes.

Elena Zhidkova ist eine eher hilflos agierende Venus, interpretiert eine zum Scheitern verurteilte Göttin, singt entsprechend unspektakulär und vermittelt das vergebliche Bemühen im vorbestimmten Ablauf. Marcel Rosca entspricht mit seiner variationsreichen Stimme dem hilflos steuernden Landgrafen; Thomas Piffka mit renitent-kraftvollem Tenor als Walther, Almas Svilpa als aggressiver Biterolf und Michael McCown als Heinrich geben den unbegriffen-normsetzenden Sängern irritierende Statur. Michael Haag als Reinmar, Christina Clark als melodiös intonierender Hirt und die scheu artikulierenden Edelknaben des Aalto-Kinderchors sind unverwechselbare Protagonisten des erschütternden Geschehens. Chor, Extrachor und Bewegungschor des Aalto-Theaters (Leitung Alexander Eberle) sind stimulierende Elemente eines fantastisch abgestimmten kollektiven Geschehens.

Und Stefan Soltesz gelingt mit den hochmotivierten Essener Philharmonikern eine Großtat in Sachen Wagner: Weitab von jedem Schwulst, von allen gängigen Klischees werden Nuancen hörbar, verbreitet die Musik eine durchgängige Melancholie, eine tiefempfundene Trauer – präzis im Zusammenspiel, transparent im Klang, ausdrucksstark in der sensiblen Dynamik, bewegend in den subtilen Tempo-Wechseln.

Zur Premiere soll es krachende Buhs gegeben haben - aber so sind sie nun mal, die (nicht nur) Essener Repräsentativ-Anrainer: Alles Ungewohnt-Gedankliche wird als degoutant verdammt. Bei der zweiten Aufführung gibt es ein außerordentlich gespannt beobachtendes Publikum, das der inneren Bedeutung nachspürt – und nach dem Fallen des Vorhangs einige Momente braucht, um in Beifall auszubrechen. Die Aalto-Oper ist eben doch die Oper des Ruhrgebiets: mit einem Publikum, das sich neuen Tendenzen unvoreingenommen öffnet! (frs)
 












Fotos: Matthias Jung