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Obsessionitis
Stefan Soltesz präsentiert mit den hochmotivierten Essener Philharmonikern
einen exzellent-differenzierten Strauss-Klang: weitab von gängigen Klischees
betont die Musik die emotionalen Befindlichkeiten der Personen und lässt
sich auf die Emotionen der Hörer ein.
Mit Francesca Patane ist eine äußerst attraktive Salome zu sehen, ihre
Stimme besticht durch riesiges Volumen, artikuliert elementare Gefühlsdimensionen,
irritiert durch ihre dramatische Verismo-Attitüde und sichert so permanente
Spannung abseits der konventionellen Vorstellungen. Almas Svilpa ist der
stimmlich tief gegründete Jochanaan; Jeff Dowd phrasiert den geopferten
Narraboth mit leidendem Klang, Chris Merritts Herodes bleibt eigentümlich
indifferent, so als ob er tatsächlich ein gutwilliger arbitor elegantiarium
wäre, so lässt auch Ildiko Szönyi die hysterischen Töne der Herodias vermissen.
Das gesamte Ensemble betont seine Distanz zu den konventionellen Ausbrüchen
der Strauss-Partitur, bleibt entsprechend blass.
Das Drama spielt in einer mediterranen Bunker-Architektur, die sich zur
großen Szene öffnet: Alfred Peter schafft dramatisch-kommunikative Räume,
in denen Uniformierte und Society-Masken in geschmacklerischen Kostümen
von Biritta Lohrer-Horres agieren.
Das Problem ist die Obsessionitis des Regisseurs: Tilman Knabe (bekannt
als Vandalist im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier) lässt Jochanaan
Salome vergewaltigen, insinniert eine Massenvergewaltigung der Juden am
weiblichen Pagen, die wiederum durch die Soldaten des Herodias umgebracht
werden und als Schlachtopfer auf der Bühne erscheinen, ein schwarzer Henker
wirft die Salome nach Begießen mit Jochanaans Blut zurück - nachdem dieses
alles abgelaufen ist, ist das Abstechen der Herodias durch den Herodes
am Ende nicht mehr als atemraubend erlebbar. Offenbar häuft hier ein Regisseur
imaginierte Obsessionen en masse auf und vergisst den dramatischen Zusammenhang
von Musik und Handlung.
Das Essener Publikum ist gar nicht provoziert - man kennt ja Dschungel-TV
und ist durch ein Kaleidoskop brutaler Szenen nicht aus der Ruhe zu bringen.
Die Regie ist gescheitert. (frs) |
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