Sprechoper, mystisch
Fast anderthalb Stunden „multimediales“ Raunen altägyptischer Texte aus der Götter- und Totenwelt, um Schuld und Erlösung, Mysterien und Mythen, Totenrituale und Hoffnung auf ewiges Leben – es entsteht die Atmosphäre einer esoterischen Seance. Im liturgisch-meditativen Duktus gesprochen, werden diese geheimnisvoll verschlüsselten Texte begleitet durch Figuren, die sich im absoluten Super-Zeitlupen-Tempo bewegen, einen Eindruck lähmender Unausweichlichkeit suggestiv vermitteln. Musikalisch unterstreichen seufzende Geigen, röchelnde Flöten, dezent klingende Schellen, dämmerndes Schlagzeug mit sedierender Rhythmik die invers gewandte Performance.
Jan Assmann hat die Texte für das szenische Experiment kompiliert, Günter Steinke hat die entsprechend mysteriös-kommunikative Musik komponiert, leitet auch das bewundernswert präzis interpretierende Ensemble Folkwang Modern.
Brian Michaels entwickelte die szenische Konzeption, führt konsequent Regie im Sinne redundanter Langsamkeit, bewegt die Figuren im Dämmerlicht des diffusen Mythos.
Joel Michaels legt eine begrenzte kieselübersäte Fläche auf die leere Bühne, begrenzt sie durch einen Vorhang, auf dem emotional assoziative Schwarz-Weiss-Videos von Jost van Harlessem den symbolhaften Charakter des verinnerlichenden Kommunikationsangebots optimieren.
Als „Sprechoper“ annonciert, wird das mystische Melodram getragen von Stimmen in permanenter Hingebungs–Attitüde mit geheimnisvoll-raunendem Unterton – technisch hoch sensibel amplifiziert.
Für das unvorbereitet interessierte Publikum ist das schon starker Tobak; geduldig überstehen die meisten der Zuschauer das hermetische Gebilde von Bewegung, Sprache, Bild und Musik. Irritiert werden sie zu Beginn durch eine emphatisch-apologetische Einleitung des Künstlerischen Leiters der Zollverein-Konzerte, Claudius Tanski, der das Leben in den Zechen und Stahlwerken an der Ruhr partout als harmonisches Zusammenleben verstanden wissen will und Verweise auf Ausbeutung als Hirngespinste einer „Toskana-Fraktion“ diffamiert – und Jürgen Flimm als deren Wortführer anmacht. Für die Rezeptions-Vorbereitung des kontemplativen Abends trägt diese historisch verquaste Eloge nur wenig bei. (frs)
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